| # taz.de -- Nazis bei der EM: Arsch-Rot-Gold | |
| > Entspannter Partypatriotismus sieht anders aus. Deutsche | |
| > Rechtsextremisten schreien nach dem Spiel gegen Griechenland ihre Parolen | |
| > – nicht zum ersten Mal. | |
| Bild: Die Bedeutung der Nummer auf dem Trikot ist unmissverständlich. Die Zahl… | |
| DANZIG taz | Nach dem Spiel der DFB-Elf gegen Griechenland in Danzig haben | |
| 50 bis 60 deutsche Fans im Zentrum am Neptunbrunnen rechtsradikale Parolen* | |
| skandiert. Das weiß auch Volker Goll von der Koordinationsstelle | |
| Fanprojekte. Er zieht derzeit mit der „Fanbotschaft“ von Spielort zu | |
| Spielort. | |
| „Es ist kompliziert, da nachhaltig einzuwirken, weil die Strukturen in der | |
| Nationalmannschaft natürlich viel schwierig sind als im Verein“, sagt er | |
| der taz. Man wisse nie, wer zu den Spielen anreise und sie als „Plattform“ | |
| missbrauche. Insgesamt räumt Goll ein, dass er wegen der Nähe zu seinem | |
| Gegenstand nicht mehr alles wahrnimmt, was um ihn herum passiert: | |
| „Vielleicht bin ich da ein bisschen zu abgebrüht. Ich fand es diesmal | |
| eigentlich nicht so schlimm wie früher.“ | |
| Goll** gehört zu den 18 ehrenamtlichen Betreuern, die sich um die Fans | |
| kümmern. Seit dem Jahr 2003 können diese Mitglied im „Fan Club | |
| Nationalmannschaft“ werden. Der Fanclub soll dazu beitragen, dass Spiele | |
| des DFB wie eine Spaßgesellschaft oder ein Familienausflug wirken. | |
| Man organisiert nicht nur Reisen zu den Spielen der deutschen Mannschaft, | |
| sondern auch Weihnachtsfeiern oder Kneipenausflüge. 50.000 Anhänger sind | |
| dabei. Es geht auch darum, Zugriff auf Problemfans zu bekommen. Wie die | |
| Ausflüge solcher Fans nach Charkow, Lemberg und Danzig zeigen, klappt das | |
| nicht immer. | |
| ## Entgleisungen deutscher Fans | |
| Alles andere als abgestumpft ist Florian Schubert, Mitglied im Bündnis | |
| aktiver Fußballfans und Autor des Buches „Rechtsextreme Fans beim | |
| Bundesligafußball“. Er ist in die Ukraine gereist und hat einen | |
| Erfahrungsbericht auf [1][publikative.org] veröffentlicht, den auch Goll | |
| kennt. | |
| Der Blogeintrag hat sich weit verbreitet. Es ist ein Dokument der | |
| Entgleisungen deutscher Fans. Beim Spiel gegen Dänemark in der Vorrunde | |
| wurde ein Banner mit der Fraktur-Aufschrift „Gott mit uns“ gezeigt, das im | |
| Zweiten Weltkrieg auf den Gürtelschnallen der Wehrmachtssoldaten prangte, | |
| berichtet Schubert. Es soll sich um eine Zwickauer Gruppierung gehandelt | |
| haben. Entspannter Partypatriotismus sieht anders aus. | |
| Schubert hat auch fotografiert: Zu sehen ist ein deutscher Fan, der in | |
| Lemberg die „88“ auf seinem Trikot trägt, Szenecode für HH, „Heil Hitle… | |
| Im Stadion hat Schubert einen Fan im Thor-Steinar-Outfit abgelichtet. In | |
| den Bussen, die die Fans in die Ukraine gebracht haben, soll es hoch her | |
| gegangen sein. | |
| In einem Bus soll nach dem Bericht eines Werder-Bremen-Fans das Lied | |
| angestimmt worden sein: „Wir bauen ein U-Bahn von Lemberg bis nach | |
| Auschwitz.“ Weiteres zweifelhaftes Liedgut: „Ha, ho, he, Faschisten SGD“ | |
| (SG Dynamo Dresden). | |
| ## „Sieg Heil, Fotze und Schwuchtel“ | |
| Zur Melodie von „Jingle Bells“ wurde Schubert zufolge gesungen: „Besiktas, | |
| Trabzonspor, Galatasaray, Fenerbahce Istanbul – Wir hassen die Türkei!“ Auf | |
| Nachfrage der taz sagt er: „Diejenigen, die rassistische Gesänge anstimmen | |
| und den Hitlergruß zeigen, sind natürlich eine Minderheit, aber eine | |
| akzeptierte. Wirklich erschreckend ist, dass sich andere Fans einen | |
| Scheißdreck darum kümmern.“ | |
| Schubert hat beobachtet, wie Fans die Hand zum Hitlergruß gereckt haben. | |
| Auf seine Nachfrage, habe ein Fan geantwortet: „Was dagegen?“ Den Rest | |
| schildert Schubert wie folgt: „Die drei gehen weiter, drehen sich nach | |
| zirka 50 Metern noch einmal gleichzeitig zusammen um und rufen in seine | |
| Richtung: ’Sieg Heil, Fotze und Schwuchtel‘, dann verschwinden sie.“ | |
| Vor dem Auftaktspiel in Lemberg war auffällig, wie deutsche Fantrupps in | |
| kleinen Demonstrationszügen durch die Innenstadt liefen und immer wieder | |
| „Sieg!“ riefen – sowie: „Hurra, Hurra, die Deutschen, die sind da!“ �… | |
| Sprechchöre, die zuletzt sogar Innenminister Hans-Peter Friedrich | |
| verurteilte. Als deutscher Patriot schäme er sich für diese Rufe, sagte der | |
| CSU-Politiker. | |
| Volker Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte findet, dass das | |
| Schreien solcher Parolen in den Medien zu sehr skandalisiert werde, | |
| insgesamt sei es aber gut, dass es jetzt thematisiert werde. Diese | |
| Diskussion hätte man auch schon vor zwanzig Jahren führen können. Damals | |
| wehrten sich vor allem der SC Freiburg und der FC St. Pauli gegen das | |
| „Sieg“-Gegröle. | |
| ## Die UEFA ermittelt | |
| Der Freiburger Trainer Volker Finke sprach sich nachdrücklich gegen die | |
| Rufe aus, die vor allem deswegen in der Kritik stehen, weil für viele | |
| Beobachter und Fans auf das laute „Sieg“ ein stummes „Heil“ folgt. In d… | |
| Ukraine und Polen können solche Parolen auch nicht reiner Selbstzweck sein, | |
| denn der Bezug zu den Verbrechen der Nazis ist unmittelbar vorhanden. | |
| Auch auf verschiedenen Fußballblogs wird die deutsche Sangeskunst | |
| kritisiert. „Wenn aus tausenden von Kehlen gepaart mit rhythmischem | |
| Klatschen eine Geräuschkulisse ertönt, dann fühlen sich viele an | |
| Massenveranstaltungen in faschistischen Diktaturen erinnert“, schreiben die | |
| [2][„Stehplatzhelden“]. | |
| Man müsse schon sehr gutmütig sein, so [3][„Lizas Welt“], wenn man in den | |
| Rufen lediglich „fehlende Sensibilität und peinliche Unwissenheit“ erkennen | |
| wolle, hier handele es sich vielmehr um einen „nationalistischen | |
| Tabubruch“. Mittlerweile hat sich auch der Deutsche Fußball-Bund geäußert. | |
| Helmut Sandrock, der Generalsekretär des DFB, erklärt auf Nachfrage der | |
| taz: „Es ist Teil unseres Dialogs, die Fans zu sensibilisieren. | |
| Entscheidend ist für uns dabei, dass keine beleidigenden, rassistischen, | |
| diffamierenden Lieder gesungen werden.“ Teammanager und ehemaliger | |
| Nationalspieler Oliver Bierhoff ergänzt: „Unser Team möchte durch sein | |
| Auftreten auf und außerhalb des Platzes ein positives Bild abgeben. | |
| Natürlich wünschen wir uns, dass das auch unseren Fans gelingt.“ Die Uefa | |
| nimmt derweil das Anliegen ernst und ermittelt wegen „ungebührliche | |
| Verhalten von Fans“ gegen den DFB. | |
| *Nachtrag: Laut Volker Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte, kurz | |
| KOS, hat es sich nachdem Viertelfinalspiel gegen Griechenland um folgende | |
| rechtsradikale Parolen deutscher Fans am Neptunbrunnen gehandelt: „Wir sind | |
| in Polen eingezogen, um Juden zu versohlen.“ Und: „Wir sind wieder | |
| einmarschiert.“ Andere deutsche Fans hätten sich darüber empört und seien | |
| auf Abstand gegangen. Die Gruppe stürmte dann in Richtung polnischer | |
| Hooligans. Doch wie sich herausstellte, handelte es sich um Zivilbeamte der | |
| polnischen Polizei. (MV) | |
| **BERICHTIGUNG: Volker Goll gehört nicht zu den 18 ehrenamtlichen | |
| Mitgliedern des "Fan Club Nationalmannschaft", sondern arbeitet für die | |
| Koordinationsstelle Fanprojekte. | |
| 24 Jun 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.publikative.org/2012/06/22/eine-u-bahn-von-lemberg-bis-nach-ausc… | |
| [2] http://www.stehplatzhelden.de/2012/06/fangesange-bei-der-em-diametrale-gans… | |
| [3] http://lizaswelt.net/ | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Tribüne | |
| Polen | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Urheberrecht | |
| Tribüne | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Randale an Polens Unabhängigkeitstag: Hooligans demolieren Warschau | |
| Politiker sprechen vom „Tag der Schande“. Jedes Jahr am polnischen | |
| Unabhängigkeitstag verwüsten Hooligans und Rechtsradikale die Hauptstadt. | |
| Warnung vor Europa-League Spiel: 96-Schal lieber zu Hause lassen | |
| Hannover 96 spielt in der Europa-League gegen den polnischen Meister WKS | |
| Slask Wroclaw. Die Polizei riet den Fans, sich in Breslau lieber nicht zu | |
| erkennen zu geben. | |
| Rechte Schläger in der Ukraine: „Death antifa“ im Fußballstadion | |
| Nach der EM hat die Politik kein Interesse mehr am Thema Rechte Gewalt im | |
| Fußball. Hooligans haben antirassistische Fans von Arsenal Kiew überfallen | |
| und schwer verletzt. | |
| Zivilcourage im Fußball: Pauschal abgestraft | |
| Mainzer Fans stellten sich auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel gegen | |
| Neonazis. Nun verhängte der DFB Stadionverbote. Ein „Skandal“, meinen | |
| Fanvertreter. | |
| Nationalhymnen bei Länderspielen: Unions-Politiker fordern Singpflicht | |
| Unionspolitiker haben die einzig denkbare Ursache für das EM-Aus der | |
| deutschen Nationalmannschaft gefunden: Nicht alle Spieler haben die Hymne | |
| mitgesungen. | |
| Uefa-Präsident Platini: Der Funktionär als Star | |
| Er ließ sich als Spieler gerne feiern. Und als Uefa-Präsident will er heute | |
| noch als Spieler gelten – rotzig und offen. Unangenehme Fragen blockt er | |
| aber ab. | |
| Italien zieht ins Halbfinale ein: Auf einmal spielen sie Fußball | |
| Andrea Pirlo ist nach seinem unverschämt coolen Elfmeter unverschämt cool. | |
| Trainer Prandrelli hingegen zeigt sich regelrecht besoffen vom Auftritt | |
| seines Teams. | |
| Lasche Kontrollen von Google: Wie Nazis auf Youtube Geld verdienen | |
| Britische Neonazigruppen wie „Blood & Honour“ oder „Combat 18“ profitie… | |
| möglicherweise finanziell von Youtube. Besitzer Google erkennt kein | |
| Problem. | |
| Kolumne B-Note: Gut, dass alles immer schlechter wird | |
| Bestätigt die „fiese Rassismus-Attacke“ auf Mesut Özil, was Linke ohnehin | |
| ahnen? Dass die Dinge genauso schlimm sind, wie man immer geahnt hat? | |
| Rassismus im ukrainischen Fußball: Das mühsame Öffnen der Türen | |
| Pawel Klimenko kämpft gegen Rassismus in ukrainischen Stadien. Das kann | |
| lebensgefährlich sein. Fußballfunktionäre und Politiker leugnen das | |
| Problem. | |
| Kolumne Press-Schlag: „Sensibilität sieht anders aus“ | |
| Vor dem Besuch einer DFB-Delegation im ehemaligen Vernichtungslager | |
| Auschwitz am Freitag sei an die dunkle Verbandshistorie erinnert. |