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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: „Sensibilität sieht anders aus“
> Vor dem Besuch einer DFB-Delegation im ehemaligen Vernichtungslager
> Auschwitz am Freitag sei an die dunkle Verbandshistorie erinnert.
Bild: Ist Experte für Fettnäpfchen, insbesondere bei sensiblen Themen: Nation…
Es ist kein gewöhnlicher Ausflug. Eine Delegation des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB) besucht heute Auschwitz, das Vernichtungslager der
Nazis. Die drei Nationalspieler, die im Tross mitreisen, Philipp Lahm,
Lukas Podolski und Miroslav Klose, wurden vorbereitet auf das, was sie in
der Nähe von Krakau erwartet.
Es ist nicht mehr so wie im Jahre 1997, als die deutsche Auswahl unter
Trainer Berti Vogts die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Israel
besuchte und Mario Basler, vor einem Foto stehend, das einen judenmordenden
KZ-Wärter zeigt, den Coach fragt: „Das kann doch nicht wahr sein? Hat es so
etwas wirklich gegeben, Trainer?“. Vogts’ Replik: „Doch, so war es.“
Im aktuellen Team des Joachim Löw steht sicherlich kein
geschichtsvergessener Naivling vom Schlage eines Mario Basler, dennoch hat
es im Vorfeld dieses sportpolitischen Pflichttermins einigen Unmut gegeben.
Nationalmannschafts-manager Oliver Bierhoff hielt eine Reise nach Auschwitz
zuerst nicht für nötig und wollte die Spieler stattdessen bei einem
Kamingespräch über die Gräueltaten der Nazis aufklären.
Keine gute Idee, fand Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrates der
Juden in Deutschland. „Meine Güte, stellen Sie sich bitte vor: Meine
Großeltern sind in Auschwitz vergast und verbrannt worden. Und Herr
Bierhoff schlägt nun vor, die deutschen Nationalspieler sollen in Polen am
Kaminfeuer über den Holocaust sprechen! Sensibilität sieht anders aus.“
## Mandelas Gefängniszelle
Es ist nicht das erste Mal, dass Bierhoff mit Schwung in ein Fettnäpfchen
tappt. Während der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika kam er auf die
krude Idee, Nelson Mandelas Gefängniszelle auf Robben Island im deutschen
Teamquartier nachzubauen, um den Nationalspielern zu vermitteln, wie sich
der Apartheidgegner im Knast gefühlt habe.
Bierhoff ruderte damals wie heute zurück. Nach der Intervention von
Graumann versprach er, mit „enorm hoher Sensibilität“ vorzugehen, und
selbstverständlich werde man an den Ort des Massenmordes reisen, um ein
Zeichen zu setzen – so wie es im Übrigen auch die englischen, italienischen
und holländischen Fußballer tun.
Diese enorm hohe Sensibilität hätte dem DFB von Anfang an gut zu Gesicht
gestanden, denn der größte Sportverband der Welt blickt auf eine
Geschichte, die nicht selten von Nationalisten und rechten Köpfen geprägt
worden ist.
Zwar hat der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, Träger des vom
Zentralrat der Juden verliehenen Leo-Baeck-Preises, viel getan – so vergibt
der DFB seit 2005 den Julius-Hirsch-Preis an Personen, „die sich für
Demokratie, Menschenrechte sowie den Schutz von Minderheiten“ einsetzen –,
doch die Last der Historie ist unvermindert groß.
## „Europäische Edelvölker“
Die lange Liste der Peinlichkeiten beginnt mit dem ersten DFB-Vorsitzenden
Ferdinand Hueppe, der den Gegensatz zwischen „asiatischen Herdenvölkern“
und „europäischen Edelvölkern“ hervorhebt. Es geht weiter mit dem 19. Apr…
1933. An diesem Datum steht im DFB-Verbandsorgan Kicker, dass „Juden und
Marxisten in führenden Stellungen der Vereine und Verbände nicht mehr
tragbar“ seien.
Der DFB dient sich den Nazis an. Als größter Hetzer gilt Guido Mengden,
Pressewart des DFB. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wird der DFB geführt
von rechts-konservativen Funktionären.
Peco Bauwens sinniert über das „Führerprinzip“ und „welsche Missgunst�…
Hermann Gössmann erweist sich mit Blick auf die Nazizeit als schmieriger
Opportunist, Hermann Neuberger bagatellisiert die Verbrechen der
argentinischen Militärjunta („Die Wende zum Besseren trat mit der Übernahme
der Macht durch die Militärs ein“).
## Lahm macht alles richtig
Auf ihn folgt Gerhard Mayer-Vorfelder, der es ratsam findet, die erste
Strophe der Nationalhymne wieder zu singen. Der jetzige Präsident heißt
Wolfgang Niersbach. Er ist bis jetzt vor allem damit aufgefallen, nichts
falsch machen zu wollen. Alles richtig macht indessen der Kapitän der
Nationalmannschaft, Philipp Lahm.
„Wir müssen zeigen, dass wir unsere Geschichte kennen, wir müssen für
unsere Vergangenheit Verantwortung übernehmen, auch wenn unsere Generation
dafür nicht verantwortlich ist“, hat er gesagt. Lahm zeigt damit eine
Reife, die nicht selbstverständlich ist für den DFB.
1 Jun 2012
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Mixed Zone
Deutscher Fußballbund (DFB)
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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