| # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Wie im Selbstbedienungsladen | |
| > Die Fifa-Funktionäre Havelange und Teixeira waren bestechlich? Echt? Aber | |
| > es ist schön, dass endlich mal ein paar Details offiziell werden. | |
| Bild: Ließ sich mit 12,7 Millionen Franken von der Agentur bestechen, die jahr… | |
| Ach, echt? Dass die hochrangigen Fußballfunktionäre João Havelange und | |
| Ricardo Teixeira jahrelang Schmiergelder in Millionenhöhe kassiert haben, | |
| das ist seit Mittwoch nun also offiziell. Eine Sensation ist es nicht. Dass | |
| der ehemalige Fifa-Chef und der ebenso ehemalige Präsident des | |
| brasilianischen Fußballverbands CBF während ihrer Amtszeit hochgradig | |
| korrupt waren, das konnte seit Jahren jeder wissen. | |
| Noch 2011 behauptete Teixeira dreist, er könne „jede Untat begehen, die ich | |
| will“. Nun allerdings liegen dafür endlich auch die höchstrichterlichen | |
| Beweise vor. Zu verdanken hat man das der Hartnäckigkeit einiger Schweizer | |
| Zeitungen und der britischen BBC, die Akteneinsicht gefordert hatten in ein | |
| Verfahren, das im Mai 2010 nach Zahlung hoher Geldsummen eingestellt worden | |
| war. | |
| Seit dem Vergleich hatten sich Havelange und Teixeira immer noch als | |
| Unschuldige geriert, obwohl sie hinter den Kulissen einen Deal akzeptiert | |
| hatten. Jetzt werden dessen Details öffentlich: Der mittlerweile 96 Jahre | |
| alte Brasilianer Havelange, der von 1974 bis 1998 der Fifa vorstand, hat | |
| allein 1997 genau 1,5 Millionen Franken von der mittlerweile | |
| pleitegegangenen Vermarktungsagentur ISMM/ISL genommen. | |
| Sein ehemaliger Schwiegersohn Teixeira, der erst im März nach 23 | |
| skandalreichen Jahren als CBF-Präsident zurückgetreten war, ließ sich | |
| zwischen 1992 und 1997 sogar mit 12,7 Millionen Franken bestechen von der | |
| Agentur, die jahrzehntelang die Fußballfernsehrechte der Fifa, also vor | |
| allem die von Weltmeisterschaften, verscherbeln durfte. | |
| ## Rolle der Fifa im Bestechungsskandal | |
| Der Fußball als Selbstbedienungsladen. Das alles ist nun also in seinen | |
| Details in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug | |
| nachzulesen. Allzu überraschend aber ist es nicht, dass die beiden | |
| Brasilianer nun offiziell als Schurken in einem internationalen | |
| Bestechungsskandal identifiziert sind. Spannender ist da schon die Rolle | |
| der Fifa. | |
| Schließlich, auch das steht in der Verfügung, hat die ISL, bevor sie 2001 | |
| bankrottging, mindestens 138 Millionen Franken an Bestechungsgeldern | |
| ausgeschüttet. „Dass die Fifa Kenntnis von Schmiergeldern an Personen ihrer | |
| Organe hatte“, stellen die Richter in dem nun öffentlichen Papier fest, das | |
| könne „nicht infrage gestellt werden“. | |
| Übersetzt bedeutet das: Nicht nur die beiden brasilianischen Sündenböcke | |
| waren korrupt, sondern weiteres, nennenswertes Personal des | |
| Fußball-Weltverbandes. Auch das ist nicht wirklich eine Überraschung, aber | |
| nun ebenfalls erstmals von einem Gericht festgestellt – und von der Fifa | |
| selbst indirekt bestätigt. | |
| Schließlich zahlte die 2,5 der 5,5 Millionen Franken Wiedergutmachung, als | |
| 2010 das Verfahren eingestellt wurde. Nun wäre es noch interessant zu | |
| erfahren, was Sepp Blatter wusste. Der wurde zwar erst 1998 Nachfolger von | |
| Havelange als Fifa-Präsident, also nachdem die meisten der den nun | |
| aktenkundigen Schmiergeldzahlungen geflossen sind. | |
| ## Ehrfahrener Stratege | |
| Aber davor war er ja kein Niemand, sondern immerhin Generalsekretär des | |
| Verbands, und ISL-Boss Jean-Marie Weber gilt als langjähriger Intimus des | |
| obersten Fußballfunktionärs. Blatter aber hat als erfahrener Stratege | |
| längst einen neuen Kurs eingeschlagen. | |
| Vor zwei Jahren zahlte die Fifa noch fröhlich Millionen, um den Text der | |
| Verfügung unter Verschluss zu halten. Nun verkündet der Verband in seinem | |
| Statement, „das Bundesgerichtsurteil liegt auf der Linie, die die Fifa und | |
| der Fifa-Präsident seit 2011 verfolgen“. Soll wohl heißen: Blatter kämpft | |
| entschlossen gegen Korruption. Hat er nicht auch schon eine Ethikkommission | |
| eingesetzt? | |
| Tatsächlich aber hat die Fifa nun erst einmal zwei Sündenböcke gefunden, | |
| die zumindest vorübergehend ablenken sollen von einem systemischen Problem: | |
| dass der reichste Sportverband der Welt nur seiner eigenen Jurisdiktion | |
| untersteht. Bis sich daran grundsätzlich etwas ändert, wird der | |
| Öffentlichkeit weiter vorgegaukelt, man könne den Bock zum Gärtner | |
| befördern, ohne dass die Wiese weiter abgegrast würde. | |
| 12 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Winkler | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
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