| # taz.de -- Oligarchen in der Ukraine: Es ist sein Turnier | |
| > Er ist einer der reichsten Männer der Ukraine. Er holte die EM ins Land. | |
| > Grigorij Surkis ist eloquent und einflussreich – aber es gibt einen, der | |
| > noch mächtiger ist als er. | |
| Bild: Die gute Stimmung in der Ukraine nach dem Sieg gegen Schweden hält Grigo… | |
| KIEW taz | Grigorij Surkis ist ein armer Schlucker. Der Präsident des | |
| ukrainischen Fußballverbandes ist zwar einer jener Superreichen, die den | |
| Fußball im EM-Gastgeberland fest im Griff haben, doch mit einem Rinat | |
| Achmetow, dem zwanzigfachen Dollarmilliardär und Herrscher über Schachtjor | |
| Donezk, kann er nicht mithalten. Ob Surkis überhaupt Milliardär ist oder | |
| ein banaler Multimillionär, weiß niemand so genau. | |
| Auf jeden Fall ist der 63-Jährige ein mächtiger Mann. Er hat die EM in die | |
| Ukraine geholt, da besteht kein Zweifel. Es ist sein Turnier. Dafür fordert | |
| er Dank ein. Das Fußballvolk glaubt er hinter sich zu wissen. Die gute | |
| Stimmung im Land nach dem Sieg gegen Schweden hält er für sein Werk. Aber | |
| auch die Politik soll ihm zu Füßen liegen. Gefälligst. | |
| Auftritt Oligarch. Pressekonferenz im Kiewer Olympiastadion. Die ersten | |
| vier Spiele in der Ukraine sind gelaufen. Darüber soll berichtet werden. | |
| Nur das Beste, versteht sich. Neben den üblichen Milizionären und Ordnern | |
| kontrolliert eine dritte Gruppe von Sicherheitskräften die Akkreditierungen | |
| der Journalisten. Jeder soll spüren, wie wichtig die Menschen sind, die | |
| hier Auskunft geben. | |
| Dass eigentlich nur einer wichtig ist, wird schnell klar. Der eloquente | |
| Surkis nimmt den Mann, der rechts neben ihm sitzt, nicht so richtig ernst. | |
| Es ist Boris Kolesnikow, der stellvertretende Ministerpräsident. Surkis | |
| fällt Kolesnikow ein ums andere Mal ins Wort, korrigiert ihn, weiß einfach | |
| alles besser. Während der Politiker wie eine Karikatur aus Sowjetzeiten | |
| unangenehme Fragen einfach nicht beantwortet, schwadroniert Surkis über die | |
| völkerverbindende Funktion von Fußball. Auch über Sport und Politik spricht | |
| Surkis. Die Politik sei für den Sport bisweilen eine Bremse, sagt er. Sport | |
| und Politik sollten zusammenarbeiten. Was er meint, ist klar. Die Politik | |
| soll dem Sport dienen. Gefälligst. | |
| ## Surkis schimpft gern auf die Politik | |
| Surkis weiß, wie es ist, wenn die Politik einmal nicht spurt. Nachdem er | |
| dafür gesorgt hat, dass die EM in Polen und in der Ukraine stattfindet, | |
| lief erst mal nicht viel. Der Stadionbau wurde vernachlässigt, | |
| Infrastrukturmaßnahmen wurden zu spät in Angriff genommen. Surkis wird | |
| nicht müde zu betonen, dass „die unsicheren politischen Verhältnisse“ dar… | |
| schuld waren. | |
| Er, der mit seiner sozialdemokratischen Partei selbst auch immer | |
| politischer Akteur gewesen ist und die Lager je nach Interessenlage munter | |
| gewechselt hat – einst war Surkis sogar ein großer Revolutionär in Orange | |
| –, hat es nie geschafft, die Politik unter seine Kontrolle zu bringen. Das | |
| musste Oligarchenkollege und -konkurrent Achmetow für ihn besorgen. Erst | |
| als Präsident Viktor Janukowitsch, Achmetows politischer Wünscheerfüller, | |
| die EM zu einem seiner wichtigsten politischen Projekte erklärt hat, ist | |
| alles so geworden, wie Surkis sich das immer vorgestellt hat. | |
| Er könne sich, so Surkis, noch gut an die Uefa-Sitzungen erinnern, in denen | |
| darüber diskutiert wurde, der Ukraine das Turnier wieder wegzunehmen. Oder | |
| nur zwei statt vier Spielorten zuzugestehen. Die Politik hat einfach nicht | |
| funktioniert. Den Namen der inhaftierten damaligen Ministerpräsidentin | |
| Julia Timoschenko nennt er nicht. Man versteht ihn dennoch. | |
| Es muss eine harte Zeit für ihn gewesen sein. So viel hatte er getan, um | |
| die EM zu holen. Zu kaufen, wie viele sagen. Der zypriotische | |
| Fußballfunktionär Spyros Marangos erhob vor anderthalb Jahren schwere | |
| Vorwürfe und sprach von hohen Geldzahlungen vor der EM-Vergabe. | |
| ## Einen Schiedsrichter wollte er mal bestechen | |
| So richtig aufgeklärt ist der Fall bis heute nicht, aber niemand würde sich | |
| wundern, wenn Surkis tatsächlich geschmiert hätte. Weil er in eine | |
| Korruptionsaffäre verwickelt war, durfte er eine Zeit lang nicht in die USA | |
| reisen. Und 1995 wollte er mal einen spanischen Schiedsrichter bestechen, | |
| auf dass sein Verein Dynamo Kiew, an dessen Spitze inzwischen Bruder Igor | |
| steht, in einer Champions-League-Partie bessere Chancen hat. Kiew wurde | |
| anschließend ein Jahr für europäische Wettbewerbe gesperrt. | |
| In der Uefa stört sich daran niemand. Surkis, der die Stimmen aus Osteuropa | |
| für die Wahl von Michel Platini an die Uefa-Spitze im Jahr 2007 organisiert | |
| hat, ist Mitglied des Exekutivkomitees der Europäischen Fußballunion – ein | |
| mächtiges. | |
| Doch seine Zeit an der Spitze des Fußballs in der Ukraine könnte bald | |
| vorbei sein. Die Macht der Ostukrainer im Fußball, die von Achmetow und die | |
| des Königs von Charkow, dem Besitzer des FC Metalist, Alexander | |
| Jaroslawski, könnte die Neuwahlen des Verbandspräsidenten im Herbst | |
| beeinflussen. | |
| Surkis wird sich damit abfinden. Längst hat er ein neues Projekt. In den | |
| Karpaten hat er einen Wintersportort im neorustikalen Blockhausstil aus dem | |
| eigentlich unter Naturschutz stehenden Boden gestampft. Mit der | |
| Retortenstadt Bukowel will sich das Nationale Olympische Komitee der | |
| Ukraine, dem auch Surkis angehört, für die Olympischen Winterspiele 2022 | |
| bewerben. Die Politik hat da nicht viel zu sagen. Sie muss mitspielen. | |
| Gefälligst. | |
| 15 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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