# taz.de -- Kolumne Ostwärts Immer: Ein Freund für einen Tag | |
> Zu Gast im Charkower Plattenbau – grün ist es dort. Und auch der Schnaps | |
> im Nachbarschaftszentrum mit angeschlossenem Wettbüro darf nicht fehlen. | |
Nikolai strahlt. Er bedankt sich bei den Milizionären. Er zeigt alle Zähne, | |
die er hat. Zu dem Bullen mit dem Stern auf der Schulterklappe sagt er, | |
dass der der beste Polizist der ganzen Ukraine sei. Dann wendet sich | |
Nikolai an mich. Ich soll das aufschreiben. | |
Nikolai ist mein Freund an diesem Tag. Ich bin sein Gast. Er gehört zu den | |
Ukrainern, die sich gegen das negative Bild ihrer Heimat im Ausland zur | |
Wehr setzen, die in ihren Wohnungen Zimmer frei machen und Fans einladen, | |
weil es ihnen peinlich ist, dass diese in den Hotels und auf den | |
Campingplätzen ganz legal ausgeraubt werden. An der U-Bahn-Station | |
Studentska in Charkow waren wir verabredet. | |
Leider hatte ich vergessen, ob ich den Bahnsteig in Richtung | |
Mikrostatdtteil Nr. 220 oder in Richtung Mikrostadtteil 221 verlassen soll. | |
Als mich die Milizionäre ratlos sehen, fragen sie mich, ob sie helfen | |
können. Als ich Nikolai das erzähle, ist er glücklich. Das ist unsere | |
Polizei, sagt er stolz. | |
Wir gehen durch ein typisches Wohnviertel zu dem Block, in dem er wohnt. Ob | |
mir etwas auffalle. Grün ist es hier, sage ich. Und sonst? Dass ich mir | |
keine Wohnung in einem solchen Viertel aussuchen würde, sage ich nicht. | |
Nein, sage ich, mir fällt nichts auf. Wieder ist Nikolai glücklich. Genau | |
das wollte er hören. Es ist nicht laut, nicht leise, es ist vor allem nicht | |
gefährlich. Das ist unser Land, sagt er. | |
Später fahren wir mit der Tram in Richtung Stadion. Ein junger Mann steigt | |
ein. Ein Passagier spuckt auf den Boden. Der Mann ist schwarz. Nikolai hat | |
eine Idee. Komm, sagt er, fragen wir ihn, ob es gefährlich ist in der | |
Ukraine. Wir gehen zu dem jungen Mann. Ja, sagt er, man müsse schon | |
aufpassen. Nikolai ärgert sich. Ob er schon einmal daran gedacht habe, dass | |
das an seinem Verhalten liegen könne, will er von dem Studenten aus Nigeria | |
wissen. Der reagiert gelassen, wünscht uns einen guten Tag und steigt aus. | |
Nikolai beruhigt sich wieder. Das sei typisch gewesen, sagt er und erzählt | |
von Drogendealern und schwarzen Männern, die auf dem riesigen | |
Barabaschowa-Markt in Charkow zu Millionären geworden seien. Das sind die | |
Geschäfte, die in unserem Land gemacht werden, sagt er. | |
Wir trinken noch in einer Art Nachbarschaftszentrum mit angeschlossenem | |
Wettbüro zusammen Schnaps. Ohne Trinkspruch geht das nicht. Auf unsere | |
Freundschaft! Und wie findest du die Ukraine? Nikolai will wissen, ob seine | |
Botschaft angekommen ist. Gut, sage ich, und stürze einen Pfefferwodka | |
hinunter. Und dann noch einen … | |
12 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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