# taz.de -- Kolumne Ostwärts immer: Milchbad bei Kerzenschein | |
> Das deutsche Team lebt abgeschottet in einem Kokon. Und sie sind weit | |
> weg. Das ist vielleicht auch gut so. | |
Die Nationalspieler sagen immer, sie finden es toll, so viel über Land und | |
Leute zu erfahren. Die Frage ist, wie, wann und wo sie das machen. Das Team | |
lebt abgeschottet in einem Kokon. Und sie sind weit weg. Ihr Quartier ist | |
jotwede. Es heißt Dwor Oliwski und ist ganz nach dem Geschmack von | |
Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Er ist ein Freund der | |
eskapistischen Luxusunterbringung. Es kann nicht weit genug ab vom Schuss | |
sein. Am besten niemanden sehen und hören. | |
Bei der WM im eigenen Land hatte man sich in das Rentnerparadies | |
Berlin-Grunewald verdrückt, die EM 2008 verlebte man in der Nobelherberge | |
„Giardino“ in Ascona. Zwei Jahre später stöberte Bierhoff ein Quartier in | |
der Pampa auf. Der Tross des DFB stieg in der Nähe von Pretoria ab. | |
Rundherum waren nichts als roter Sand und ein paar vertrocknete Büsche. | |
Immerhin konnte man damals vom Pressezelt noch hinüberlugen zum | |
Fünfsternehotel, in Danzig ist selbst das unmöglich. Das Pressezelt steht | |
weitab der Schlafstätte unserer Profis. | |
Im Dwor Oliwski kann man Dorschlenden mit Sushi und blanchierten Radieschen | |
essen oder ein Milchbad bei Kerzenschein nehmen, aber in erster Linie kann | |
man sich hier prima verstecken. Die Straßen im Umkreis sind abgesperrt. An | |
den Einfahrten steht Polizei. Sie lässt keine Journalisten durch. | |
Das ist vielleicht auch gut so, denn die Zudringlichkeiten der | |
Boulevardpresse werden mit jedem Turnier größer. Aus EM und WM wird immer | |
mehr ein Event. Auf dem großen Jahrmarkt gibt es auch Preise zu gewinnen: | |
E-Bikes von einem deutschen Unternehmen und Interviews mit | |
Nationalspielern. Die Chance, so ein Elektrofahrrad zu gewinnen, ist | |
ungleich größer, als ein Interview mit Philipp Lahm oder Jogi Löw zu | |
bekommen. | |
Auf dem Jahrmarkt gibt es so manches zu bestaunen: den Pressechef Harald | |
Stenger oder den gelben Sportwagen eines deutschen Unternehmens. Man zeigt | |
Stollenschuhe eines deutschen Unternehmens mit lustigen Aufnähern („Sarah“, | |
Schweinis Schatten) in die Kamera, und Per Mertesacker erklärt, warum auf | |
seinen Schuhen kein Name steht. Jedes Detail ist unheimlich wichtig. Man | |
erfährt, dass unsere Nationalspieler, falls sie von der Morgensonne | |
geblendet werden, ihre Jalousien herunterfahren können. Wäre ja auch noch | |
schöner gewesen, wenn man im Dwor Oliwski die Abschottung nicht auf die | |
Spitze hätte treiben können. Wenn das mal kein gutes Omen für die deutsche | |
Abwehr ist. | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Mixed Zone | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Ostwärts Immer: Leben im Hier und Jetzt | |
Der Vollrausch verhindert den Ausflug in die Vergangeheit. Das passiert | |
schnell: Ein Nullfünfer-Bier kostet 1,25 Euro. | |
Kolumne Ostwärts Immer: Ein gutes Körpergefühl | |
Motorblöcke hochziehen, Bankdrücken, Schluss mit den dünnen Berliner | |
Büroarmen. Der EM-Reporter auf dem Weg zu einem richtigen ukrainischen | |
Mann. | |
Kolumne Ostwärts immer: Verkanntes Fußballtalent | |
Wadim hätte ein großer Fußballer werden sollen. Wurde er aber nicht. Der | |
66-jährige Gleisbauer bolzt noch immer. | |
Kolumne Ostwärts Immer: Ein Freund für einen Tag | |
Zu Gast im Charkower Plattenbau – grün ist es dort. Und auch der Schnaps im | |
Nachbarschaftszentrum mit angeschlossenem Wettbüro darf nicht fehlen. | |
Vorrundenspiel Ukraine-Schweden: Die Hoffnung ist 36 | |
Das ukrainische Spiel weist viele Baustellen auf. Ein Patzer gegen Schweden | |
wäre fatal. Die Ukrainer machen sich aber stattdessen über Verletzungen | |
Gedanken. | |
Warschau beim EM-Eröffnungsspiel: „Kein Bier mehr“ | |
Auf der Fanmeile in Warschau kommen zehntausende polnische Fans zusammen | |
und freuen sich über die starke erste Halbzeit ihres Teams. Später hilft | |
nur noch Trotz. | |
Russland schlägt Tschechien: Fußball zum Staunen | |
Die Russen gewinnen überragend mit 4:1 gegen die Tschechen. Sie bieten | |
Fußball zum Staunen und Haare raufen zugleich. Es ist ein imposanter | |
Auftritt. |