# taz.de -- Grünen-Politiker über die Ukraine: „Das System Janukowitsch ang… | |
> Der grüne Europaabgeordnete Werner Schulz hat Julia Timoschenko im | |
> Krankenhaus besucht. Ein Gespräch über die Opposition, den deutschen | |
> Boykott und die EM. | |
Bild: „Das ist eine Frau, die sogar noch vom Krankenbett aus kämpft.“ | |
taz: Herr Schulz, Sie hatten am Donnerstag Gelegenheit, die inhaftierte | |
Julia Timoschenko im Eisenbahner-Krankenhaus von Charkow zu besuchen. Wie | |
geht es der ukrainischen Oppositionsführerin? | |
Werner Schulz: Ich bin auf eine sichtbar geschwächte Frau gestoßen, die | |
aber doch sehr aufrecht ist. Das hat mich sehr beeindruckt. Das ist eine | |
Frau, die sogar noch vom Krankenbett aus kämpft und die man so leicht nicht | |
brechen wird. Auch wenn sich Präsident Viktor Janukowitsch das | |
offensichtlich vorgenommen hat. Sie hat es geschafft, die Opposition zu | |
einen. | |
Zehn Parteien haben sich zusammengeschlossen, um bei der Parlamentswahl im | |
Oktober anzutreten. Julia Timoschenko wird auf Platz eins der Liste | |
gesetzt. Sie ist weniger mit sich beschäftigt, es geht ihr vor allem um das | |
Schicksal ihres Landes, die demokratische Entwicklung der Ukraine. Das ist | |
es auch, was sie aufrecht hält. | |
Julia Timoschenko war ja immer aus politischen Gründen gegen einen Boykott | |
der EM. Ist das jetzt immer noch so? | |
Absolut. Sie hat sich 2007 als Ministerpräsidentin für die Vergabe der | |
Meisterschaften in die Ukraine eingesetzt. Es ist ja ohnehin absurd, dass | |
diejenigen, die damals den Zuschlag für die EM in der Ukraine als | |
Anerkennung für die demokratische Entwicklung des Landes bekommen haben, | |
heute im Gefängsnis sitzen. | |
Timoschenko findet es richtig, dass wir uns gegen einen Boykott der EM | |
ausgesprochen haben, sondern im Gegenteil Präsident Janukowitsch Paroli | |
bieten. | |
Das haben Sie ja unter anderen mit Ihrer Plakat-Aktion im Charkower Stadion | |
versucht. Dort haben Sie Trasparente entrollt mit der Forderung nach | |
Fairplay und der Freilassung aller politischen Gefangenen. Wie waren die | |
Reaktionen? | |
Es gab überwiegend freundliche Zustimmung. Es gab viele Leute, die das mit | |
ihren Handys fotografiert und uns mit einem Kopfnicken gezeigt haben, dass | |
sie diese Aktion gut finden. Nur einige Ukrainer waren empört. Mit denen | |
haben wir dann darüber diskutiert, dass Sport und Politik nicht zwei | |
getrennte Welten sind. | |
Bislang drücken deutsche Politiker ihren Protest durch Abwesenheit aus. | |
Was ist das denn für ein Protest, nicht dort hinzufahren? Oder zu sagen, | |
wir protestieren nur in der Vorrunde? Und wenn dann die deutsche Mannschaft | |
ins Endspiel kommt, dann fährt die Kanzlerin hin. Das ist völlig daneben | |
und undurchdacht. Ich habe immer gesagt: Nicht die EM boykottieren, sondern | |
das System Janukowitsch angreifen. Das kann man nur, wenn man hinfährt. | |
Sie haben sich auch noch mit weiteren führenden Oppositionellen getroffen. | |
Wie ist deren Stimmung? | |
Alle bereiten sich auf die Parlamentswahl vor. Der Zusammenschluss der zehn | |
Parteien ist eine große Leistung und erfolgte, weil die Beteiligten den | |
Marsch der Ukraine in eine neue Despotie verhindern wollen. Deshalb ist es | |
auch so wichtig, dass sich die Europäische Union bereits jetzt darum | |
kümmert, dass der Wahlkampf aufmerksam beobachtet wird und das die Wahlen | |
korrekt ablaufen. | |
Also es herrscht eher Optimismus vor? | |
Ja, die Opposition glaubt daran, die Mehrheit bei den Wahlen erreichen zu | |
können. Das wäre, so die Argumentation, eine Voraussetzung für die | |
Befreiung der politischen Gefangenen. | |
Begreift die Opposition die EM für sich als Chance? | |
Sie freut sich über das Ereignis und sieht darin eine Chance, dass auch im | |
Ausland mehr hingeschaut wird, was in der Ukraine passiert. Bedauert wird | |
hingegen, dass die Politiker ausbleiben und durch ihre Abstinenz nur einen | |
diffusen Protest zum Ausdruck bringen, der der Opposition rein gar nichts | |
nützt. | |
Wer wird Europameister? | |
Ich hoffe, dass Deutschland ins Endspiel kommt und unsere deutschen | |
Politiker nach Kiew reisen und dort auf der Tribüne deutlich machen, dass | |
sie von diesem Janukowitsch-Regime nichts halten. | |
Und wer wird der Gegner? | |
Vielleicht die Ukraine oder Spanien. In jedem Fall wünsche ich mir, dass | |
die deutschen Politiker noch einemal die Möglichkeit zu einem deutlichen | |
Statement erhalten. | |
15 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
Barbara Oertel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Tribüne | |
Tribüne | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlkampf in der Ukraine: Kandidatin trotz Knast | |
Die Oppositon in der Ukraine hat die inhaftierte Julia Timoschenko zu ihrer | |
Spitzenkandidatin für die Parlamentswahl erklärt. Die Zustimmung der | |
Wahlkommission steht noch aus. | |
Einschätzung des Chefs der Charité: Timoschenko nicht prozesstauglich | |
Karl Max Einhäupl, Chef der Berliner Charité, hält die ukrainische | |
Oppositionsführerin einem neuen Prozess gesundheitlich nicht gewachsen. Der | |
Prozess soll am Montag fortgesetzt werden. | |
Serghij Zhadan im Interview: "Fußball ist das Einzige, was uns eint" | |
Der ukrainische Schriftsteller Serghij Zhadan über das 90-minütige | |
Nationalgefühl seiner Landsleute und seine Hoffnung auf ein Ende des | |
Regimes von Janukowitsch. | |
EM-Volunteers in der Ukraine: „Vergesst den Krieg“ | |
Die EM-Freiwilligen werden in Kursen auf Linie gebracht. Sie sollen das | |
Image der Ukraine aufpolieren und Besuchern den Weg weisen – bis jetzt | |
langweilen sie sich. | |
Oligarchen in der Ukraine: Es ist sein Turnier | |
Er ist einer der reichsten Männer der Ukraine. Er holte die EM ins Land. | |
Grigorij Surkis ist eloquent und einflussreich – aber es gibt einen, der | |
noch mächtiger ist als er. | |
Rassismus im ukrainischen Fußball: Das mühsame Öffnen der Türen | |
Pawel Klimenko kämpft gegen Rassismus in ukrainischen Stadien. Das kann | |
lebensgefährlich sein. Fußballfunktionäre und Politiker leugnen das | |
Problem. |