Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fiskalpakt und Rettungsschirm gestoppt: Gauck verzögert Unterschri…
> Trotz Einigung von Koalition und Opposition kann der Fiskalpakt nicht wie
> geplant starten. Präsident Gauck will nicht unterschreiben, solange das
> Verfassungsgericht das Gesetz prüft.
Bild: Bundespräsident Gauck verschiebt seine Unterschrift unter die Gesetze zu…
BERLIN rtr | Der geplante dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM kann trotz
einer Einigung der Bundesregierung mit SPD und Grünen nicht wie geplant am
1. Juli starten. Hintergrund sind angekündigte Eilanträge beim
Bundesverfassungsgericht gegen den ESM sowie gegen den Fiskalpakt.
Die Richter mahnten am Donnerstag zur Prüfung ausreichend Zeit an und baten
Bundespräsident Joachim Gauck, die Gesetze vorerst nicht zu unterzeichnen.
Das Präsidialamt kündigte an, Gauck wolle dieser Bitte nachkommen.
Nach der für den 29. Juni geplanten Ratifizierung durch Bundestag und
Bundesrat wäre den Verfassungsorganen für die Prüfung nur ein Tag Zeit
geblieben, um ein pünktliches Inkrafttreten sicherzustellen.
Die EU peilt als Starttermin für den ESM nun den 9. Juli an. Dieses Datum
sieht ein Reuters vorliegender Entwurf für die Abschlusserklärung des
EU-Gipfels Ende nächster Woche vor. Hintergrund sind Verzögerungen bei der
Ratifizierung auch in anderen Ländern.
## Koalition und Opposition hatten sich geeinigt
Die schwarz-gelbe Koalition und SPD und Grüne machten derweil nach
wochenlangen Verhandlungen den Weg für eine Ratifizierung im Bundestag
frei. Dazu verständigten sie sich auf einen „Pakt für nachhaltiges Wachstum
und Beschäftigung“, der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden
soll.
„Das ist ein wichtiges Paket, um wegzukommen von einer reinen Sparpolitik“,
sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Cem
Özdemir. Unions-Fraktionschef Volker Kauder zeigte sich zuversichtlich,
dass sich am Sonntag der Bund auch mit den Ländern verständigen wird.
Wegen der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat
ist die Koalition auf Stimmen der Opposition angewiesen. Während SPD und
Grüne beide Vorhaben nun mittragen, will die Linksfraktion sie per
Eilantrag stoppen. „Fiskalpakt und ESM greifen so tief in die
grundgesetzlich verbrieften Rechte des Parlaments ein, dass das
Hau-Ruck-Verfahren der Bundesregierung einem Anschlag auf die Demokratie
gleichkommt“, sagte Fraktionschef Gregor Gysi.
Eine Sprecherin des Verfassungsgerichts sagte, das Gericht benötige Zeit,
um das umfangreiche Material zu prüfen. Gauck zeigte sich bereit, die
Gesetze zunächst nicht auszufertigen. Sein Amt begründete dies mit der
gängigen Staatspraxis zwischen den Verfassungsorganen und Respekt gegenüber
dem Verfassungsgericht.
## Schäuble kritisiert Bundesverfassungsgericht
Finanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich über die Äußerung des Gerichts
hingegen ungehalten. „Ich glaube nicht, dass es klug ist, wenn die
Verfassungsorgane öffentlich miteinander kommunizieren“, sagte der
CDU-Politiker in Luxemburg. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle
warnte, man könne den ESM in Europa nicht aufhalten, weil das oberste
deutsche Gericht noch Zeit brauche. Allerdings könne die Politik dem
Gericht auch keine Vorschriften machen, sagte er.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, äußerte
„großen Respekt vor der Bitte des Verfassungsgerichts“. Dass der ESM nicht
zum 1. Juli starten könne, sei für die Eurozone aber eine schlechte
Nachricht.
Einen Eilantrag will auch das Bündnis „Europa braucht mehr Demokratie“
einreichen. Angesichts des Urteils zur Mitwirkung des Bundestages sei der
Zeitplan für den Beschluss „absurd und untragbar“, sagte die frühere
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), die das Bündnis
vertritt.
Der ESM-Vertrag tritt in Kraft, sobald ihn Länder, die 90 Prozent des
eingezahlten Kapitals stellen, ratifiziert haben. Ohne Deutschland wird
diese Quote nicht erreicht.
## Rot-Grün setzte Finanzsteuer durch
In ihren Verhandlungen hatten SPD und Grüne aufs Tempo gedrückt. Nach
langem Ringen gelang bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt nun eine
Einigung. „Was wir erreichen konnten zum jetzigen Zeitpunkt, haben wir
erreicht“, sagte Gabriel. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier betonte, er
werde seiner Fraktion nun die Zustimmung zum Fiskalpakt empfehlen.
Beide Seiten verständigten sich auf ergänzende Maßnahmen zur
Wachstumsförderung und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa
sowie auf eine Finanztransaktionssteuer. Nicht durchsetzen konnte sich die
Opposition mit der Forderung nach einem Fonds zur Tilgung von Altschulden,
was Union und FDP als wichtigen Erfolg für sich verbuchten.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin gab sich optimistisch, dass die
Besteuerung der Finanzmärkte im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit wie
angestrebt in mindestens neun der EU-Staaten möglich sein wird.
Vor allem die FDP hatte sich lange gegen eine Finanzmarktsteuer unterhalb
der Ebene aller EU-Staaten gestemmt. Im Schlussspurt wurde eine maßgeblich
von den Liberalen ausgehandelte Textpassage zur Verhinderung von Nachteilen
für Riester-Sparer und Kleinanleger nochmal abgeschwächt.
Fraktionschef Rainer Brüderle betonte gleichwohl, nachteilige Wirkungen
einer solchen Steuer seien vermieden worden, etwa die Verlagerung von Jobs.
Am Ende sei eine Einigung aus nationalem und europäischen Patriotismus
geboten gewesen. Kauder bezeichnete die Verständigung als wichtige
Botschaft für Europa und Signal an die Märkte, „dass wir in Europa
zusammenhalten“.
21 Jun 2012
## ARTIKEL ZUM THEMA
Steigende Jugendarbeitslosigkeit: Rückzug in die Resignation
Immer mehr junge Arbeitslose in Europa und Nordamerika ziehen sich vom
Arbeitsmarkt zurück und fallen aus der Statistik. Vorbildliche Modelle gibt
es in Skandinavien.
Abstimmung für Euro-Rettungsschirm: Zwei Drittel sollen retten
Die schwarz-gelbe Koalition will auch den Euro-Rettungsschirm ESM mit einer
Zweidrittelmehrheit beschließen. So soll verfassungsrechtlichen Bedenken
vorgebeugt werden.
Verhandlungen zum Fiskalpakt: Mögliche Zugeständnisse
Angela Merkel will für ein Ja zum Fiskalpakt auf die Länder zugehen. Der
Bund könnte mögliche Strafzahlungen an Brüssel ganz übernehmen.
Jürgen Trittin über den Fiskalpakt: „War das unverantwortlich?“
Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verteidigt sein Ja zum Fiskalpakt
in Europa gegenüber Kritikern in der eigenen Partei. Und äußert den Wunsch
nach Neuwahlen.
Gaucks verzögerte Unterschriften: Merkel dementiert Einflussnahme
Bundespräsident Gauck wird die Gesetze zu ESM und Fiskalpakt nicht
unterschreiben. Die Bundeskanzlerin hat Gerüchte zurückgewiesen, dass sie
versucht habe Gauck umzustimmen.
Steuer auf Börsengeschäfte: Unterstützung aus Wien
Für die Steuer auf Börsengeschäfte hat die Bundesregierung einen
Verbündeten: Österreich. Bei anderen EU-Staaten soll nun für eine
Kooperation geworben werden.
Kommentar Einigung beim Fiskalpakt: Am Kern der Krise vorbei
Gegen die Dramatik der Krise wäre ein Mechanismus der gegenseitigen Haftung
für europäische Schulden nötig. Doch in diesem Punkt sind SPD und Grüne
feige.
Gauck soll Gesetze nicht unterschreiben: Verfassungsgericht will sich einlesen
Das Verfassungsgericht will sich auf mögliche Klagen gegen den ESM und den
Fiskalpakt vorbereiten. Die Richter baten nun Bundespräsident Gauck, die
Gesetze nicht zu unterschreiben.
Einigung von Koalition und Opposition: Fiskalpakt kann kommen
Regierung und Opposition haben sich im Streit um den Fiskalpakt geeinigt.
Zusätzlich soll eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden – notfalls
auch nur in einem Teil der EU-Staaten.
Verfassungsurteil zum Rettungsschirm: Bundestag muss früh Bescheid wissen
Der Bundestag sei nicht ausreichend über den Rettungsschirm ESM informiert
worden, urteilt das Verfassungsgericht. Strafe gibt es nicht. Die Regierung
soll es nur in Zukunft besser machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.