Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sanktionierte Sexarbeit: 40.000 Euro fürs Ansprechen
> Mit einem Kontakt-Verbot geht der Hamburger Senat seit Februar gegen
> Prostitution im Bahnhofsviertel St. Georg vor, nun gibt es erste Zahlen.
Bild: Ist das auch eine - verbotene - Kontaktaufnahme?
HAMBURG taz | Seit Februar gilt im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg ein
sogenanntes Kontakt-Verbot für die Verhandlung von bezahlten sexuellen
Dienstleistungen. Mit den erhöhten Bußgeldern will der Hamburger Senat so
gegen Prostitution im Bahnhofsviertel St. Georg vorgehen. Während durch
eine Sperrgebietsverordnung bislang vor allem die SexarbeiterInnen bestraft
wurden, werden seither auch Freier belangt. Eine Kleine Anfrage der
Linkspartei-Abgeordneten Kersten Artus liefert nun erste Zahlen. Den
größten Teil der Bußgelder zahlen immer noch die SexarbeiterInnen. Denn bei
wiederholtem Verstoß verdoppelt sich das Bußgeld.
Prostitution hat in St. Georg wie auf der Reeperbahn in St. Pauli
Tradition. Dennoch gelten in beiden Vierteln Sperrgebietsverordnungen, die
es der Polizei erlauben, trotz grundsätzlich legaler Prostitution,
Sexarbeit mit Bußgeldern zu belangen. Im Unterschied zu St. Pauli, wo das
Sperrgebiet ab 20 Uhr bis in die frühen Morgenstunden ausgesetzt wird, ist
Sexarbeit in St. Georg durchgehend verboten, wurde aber lange nicht
verfolgt.
Nun aber soll das Bahnhofsviertel familienfreundlich werden. Und um die
Sexarbeit aus dem Bahnhofsviertel zu vertreiben, soll die Polizei hart
durchgreifen. Durch die Verordnung, müssen Freier und SexarbeiterInnen,
werden sie bei der Kontaktaufnahme erwischt, mit einer Höchststrafe von
5.000 Euro rechnen. Beim ersten Mal kostet der Verstoß 200 Euro, beim
nächsten mal verdoppelt sich der Betrag. Die meisten Fälle liegen aber bei
200 Euro.
Laut Polizeiangaben gab es seitdem rund 2.000 Anzeigen gegen Freier.
Bußgelder wurden in 89 Fällen erhoben. SexarbeiterInnen mussten in 78
Fällen zahlen. Nach der Kleinen Anfrage zahlten die Freier seit Februar
19.200 Euro, die SexarbeiterInnen 22.400 Euro.
Mit dem Ansprechverbot trage man der extremen Beschwerdelage Rechnung, sagt
Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. Die Sexarbeit habe sich seitdem in
Kneipen verlagert. „Das ist aber auch in Ordnung“, so Reschreiter, denn
damit sei dem Jugendschutz gedient.
„Seitdem die Bußgelder erhöht wurden, müssen die SexarbeiterInnen mit hohen
Strafen rechnen“, sagt Emilija Mitrovic, vom Arbeitskreis Prostitution der
Gewerkschaft Ver.di. „Das Prostitutionsgesetz sollte beste
Arbeitsbedingungen für Sexarbeit schaffen“, so Mitrovic. Das Gesetz werde
nun ausgehölt, wenn man die Arbeit auf der Straße verbietet und damit
verdrängt. Frauenrechtsorganisationen fordern schon seit Jahren eine
Aufhebung der Sperrgebietsverordnung und einen runden Tisch zum Thema.
Die 40.000 Euro, die Hamburg seit Februar eingenommen hat, sollte die Stadt
laut Mitrovic dringend für Informationen und Beratungsstellen einsetzen.
Was die Stadt aber für die Polizeieinsätze zahlt, ist unklar. „Wir sind
sowieso im Dienst, dazu gibt es keine Angaben“, sagt Polizeisprecherin
Ulrike Sweden.
Mit dem Bußgeld für Sexarbeit trifft der Hamburger Senat die Ärmsten. Denn
im Viertel hinter dem Bahnhof handelt es sich vor allem um Armuts- und
Drogenprostitution.
10 Jul 2012
## AUTOREN
Lena Kaiser
Lena Kaiser
## TAGS
Prostitution
Sexarbeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aktivistin über Sexkaufverbot: „Prostitution ist Gewalt“
Die meisten Prostituierten arbeiten unter Zwang, sagt Heidemarie Grobe von
Terre des Femmes. Sie kämpft dafür, dass Freier bestraft werden.
Gleichstellungsbeauftragte über Sexarbeit: „Schutz sieht anders aus“
Prostituierte sollen mit einem neuen Gesetz mehr selbstbestimmen können.
Die Gleichstellungsbeauftragte in Kiel befürchtet, dass das Gegenteil
geschieht.
Straßenstrich: Mit Lockvögeln auf Freier-Jagd
Das Kontakt-Verbot für Sexarbeiterinnen und Freier in St. Georg wird
verlängert. Als Huren verkleidete Polizistinnen sollen Verstöße aufdecken.
Prostitution als Beruf: Kommen Sie ins Bordell!
Die mediale Inszenierung von Bettina Wulff geht auf Kosten der
Prostituierten. Eine Hure schlägt ihr einen Besuch am Arbeitsplatz vor –
mit Praktikum.
Sexsteuerautomat für Bonner Prostituierte: Es wird nur wenig schwarz gefickt
Sechs Euro kostet ein Nachtticket für Prostituierte in Bonn. Im ersten Jahr
wurden fast 6.000 Steuerbons gezogen. Auch die „Verrichtungsboxen“ sind
beliebt.
Prostitution in Frankreich: Wer für Sex zahlt, wird bestraft
Auch die neue sozialistische Frauenministerin möchte in Frankreich die
Prostitution abschaffen. Sie setzt auf eine Art Freierbekämpfung mit
menschlichem Antlitz.
Demon gegen Kontaktsperre in St. Georg: Neue Eskalationsstufe
Netzwerk "Recht auf Straße" protestiert gegen die Vertreibung von
Sexarbeiterinnen aus St. Georg. Seit zwei Wochen gilt die
Kontaktsperre-Verordnung.
Prostitution: "Die Frauen werden bestraft und zahlen"
In Hamburg sollen Bußgelder für Freier Straßenprostitution verhindern - und
damit die Anwohner befrieden. Kritiker fürchten nun eine Verdrängung der
Prostiuierten. Ein Streitgespräch
Sexarbeit in St. Georg: Kritik an Kontakt-Verbot für Freier
Prostitutions-Expertinnen lehnen das geplante Kontaktverbot für Freier in
St. Georg ab. Sie fordern einen Runden Tisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.