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# taz.de -- Prostitution in Frankreich: Wer für Sex zahlt, wird bestraft
> Auch die neue sozialistische Frauenministerin möchte in Frankreich die
> Prostitution abschaffen. Sie setzt auf eine Art Freierbekämpfung mit
> menschlichem Antlitz.
Bild: Hat sich nicht viel geändert: Als die Freier noch zum Montmartre kamen, …
Der Radiosender France Culture strahlte vor Kurzem aus aktuellem Anlass
eine Reportage über den legendären Bois de Boulogne am Pariser Stadtrand
aus. Eine dort arbeitende Prostituierte erzählte von einem Kunden, den die
eigene Gattin zwecks Weiterdelegierung gewisser Sexualpraktiken zu ihr hin
chauffiert habe.
Solche großzügigen Partnerinnen werden vielleicht ihre Ehemänner künftig zu
noch versteckteren Örtlichkeiten fahren müssen. Die neue sozialistische
Ministerin für Frauenrechte Najat Vallaud-Belkacem hat angekündigt,
Prostitution abschaffen und deswegen die Wurzel des Übels angreifen zu
wollen: Nach schwedischem Modell soll das Bezahlen sexueller
Dienstleistungen unter Strafe gestellt werden.
Frankreich, das wirtschaftspolitisch einer Angleichung an Deutschland wohl
nicht wird ausweichen können, schlägt in Sachen Prostitution aller
Voraussicht nach weiterhin einen anderen Weg als sein östlicher Nachbar
ein. Aufgrund einer Gesetzgebung, die „unmoralische Einkünfte“ verbietet,
sind „Eros-Centers à l’allemande“ im einst für seine Bordelle berühmten
Paris schon seit Langem undenkbar.
Vor knapp zehn Jahren hat der damalige Innenminister Sarkozy sich eine
zusätzliche Maßnahme zur Erschwerung von Prostitution einfallen lassen: ein
Gesetz, das den neuen Straftatbestand des „passiven Anwerbens“ schuf.
Prostituierte können seitdem allein schon wegen aufreizender Kleider
belangt werden.
Sozialistisch solidarisch will nun die neue Ministerin das
Repressionspendel in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen lassen und
statt der durch Sarkozys Gesetz an die unsicheren Stadtränder verdrängten
sozial schwachen Prostituierten die Freier ins Visier nehmen.
Weiterhin also das alte Ziel der Prostitutionsbekämpfung, nun aber – so ist
man versucht zu sagen – Prostitutionsbekämpfung „mit menschlichem Antlitz�…
Die Ministerin fühlt sich dabei in bester jakobinisch-französischer
Tradition. Namhafte Persönlichkeiten des feministischen und linken
Spektrums, die in einem von Mediapart veröffentlichten
Solidaritätsschreiben die Abschaffungspolitik unterstützen, setzen denn
auch ausdrücklich „Abolitionismus“ mit den französischen Urwerten „Frei…
und Gleichheit“ gleich.
## Demos der Prostituierten
Der Freiheitsbegriff hat allerdings, so konnte schnell die französische
Öffentlichkeit erfahren, nicht so ohne Weiteres einen universal geltenden
Inhalt. Ausgerechnet die Gewerkschaft derer, denen die Ministerin die
Selbstbestimmung zurückerobern möchte, die Prostituiertenorganisation
STRASS, organisierte am 7. Juli im Pariser Pigalle-Viertel eine
Demonstration gegen das Abschaffungsprojekt.
Nicht der Kaufakt der Freier ist es, so sehen es die Demonstrantinnen, der
ihnen Gewalt antue, sondern die Entscheidungshoheit, die „patriarchalische
Feministinnen“ sich über ihre Existenz anmaßen. Die eloquente
STRASS-Sprecherin Morgane Merteuil wehrt sich gegen die Tendenz,
Prostituierte grundsätzlich als Opfer zu entmündigen. Sie und ihre
Kolleginnen verkauften keineswegs ihre Körper – dann wären diese längst,
wie jede verkaufte Ware, für immer in fremdes Eigentum übergegangen –,
sondern Dienstleistungen.
Schon vor einigen Monaten hatte Elisabeth Badinter, eine der großen alten
Damen des französischen Feminismus, im Express geäußert, dass „Sexualität,
ob umsonst oder bezahlt, in der Entscheidungsgewalt eines jeden Mannes und
jeder Frau steht“.
Das gesellschaftspolitische Engagement der neuen Frauenministerin ist
sicherlich ernsthaft. Gleichwohl fragt man sich, warum die vielbeschäftigte
neue Regierung ausgerechnet gegen Prostitution ins Feld zu ziehen sich
anschickt. Man hat ein wenig den Eindruck, dass der französische Staat, dem
auf den liberalisierten Märkten längst die stolze Jakobinermütze vom Kopf
gezogen ist, sie nun zumindest im Bois de Boulogne wieder tragen möchte.
15 Jul 2012
## AUTOREN
Christof Forderer
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