# taz.de -- Sexarbeit in St. Georg: Kritik an Kontakt-Verbot für Freier | |
> Prostitutions-Expertinnen lehnen das geplante Kontaktverbot für Freier in | |
> St. Georg ab. Sie fordern einen Runden Tisch. | |
Bild: Mit ihr über sexuelle Dienstleistungen zu sprechen, soll unter Strafe st… | |
Die Pläne des SPD-Senats, eine Kontaktverbot-Verordnung für Freier auf St. | |
Georg zu verabschieden, stoßen bei Szene-Expertinnen auf heftige Kritik. | |
Sollte die Verordnung in Kraft treten, müssten Freier künftig bis zu 5.000 | |
Euro zahlen, wenn sie dabei angetroffen werden, mit einer Prostituierten | |
über den Preis für eine sexuelle Dienstleistung zu verhandeln. | |
"Die Erfahrungen aus Köln und Essen zeigen, dass Kontaktverbote und | |
Bußgelder nicht zu weniger Prostitution führen, sondern die sexuelle | |
Ausbeutung nur ins Verborgene treiben", erklären Anke Mohnert vom "Café | |
Sperrgebiet" und Angela Bähr, Fachbereichsleiterin für Frauenprojekte beim | |
Diakonischen Werk. "Das ist eine frauenfeindliche Maßnahme", sagt auch | |
Kersten Artus, frauenpolitische Sprecherin der Linkspartei. | |
Ähnlich sieht es Veronica Munk, Prostitution-Expertin des internationalen | |
"Amnesty for Women" Frauennetzwerks "Tampep". In Deutschland sei die | |
Prostitution 2002 legalisiert worden und nun würden über diese | |
Repressionsmaßnahme gegen Freier den Sexarbeiterinnen wieder ihre Rechte | |
genommen. "Die Sexarbeiterinnen werden gezwungen, menschenunwürdig | |
versteckt zu arbeiten", kritisiert Munk. | |
## moralische Diskussion | |
Die Diskussion über den Straßenstrich in St. Georg werde "nicht sachlich, | |
sondern moralisch und nie aus der Perspektive der Sexarbeiterinnen | |
geführt", sagt Munk. "Nach dem Motto: Die Stadt muss sauber sein." Durch | |
die geplante Maßnahmen werde die Arbeit der Sexarbeiterinnen jedoch noch | |
risikoreicher. "Die Kunden werden verunsichert und gewalttätiger", | |
befürchtet Munk. In der Folge fände eine Verdrängung der Kontaktanbahnung | |
ins Internet statt. "Aber Verabredungen via Internet bieten den Frauen und | |
Mädchen noch weniger Schutz vor menschenunwürdigen Praktiken von Freiern", | |
bestätigt Anke Mohnert vom CaféSperrgebiet. "Die Gefahr wird größer, wenn | |
sich die Frau über Internet an einem dunklen Ort verabreden muss, ohne den | |
Preis ausgehandelt zu haben und dann im Auto sitzt", sagt auch Artus. | |
Ob die Überwachung der Kontaktanbahnung durch die Polizei überhaupt | |
umsetzbar ist, bleibt fraglich. Wie wolle die Polizei eigentlich | |
unterscheiden, ob jemand nach der Uhrzeit fragt oder den Preis für eine | |
sexuelle Dienstleistung aushandelt? fragt Munk. | |
In Schweden, dem ersten skandinavischen Land, das Bußgelder für Freier | |
eingeführt hatte, stelle sich inzwischen die Polizei gegen die Maßnahme, | |
weil sie langfristig nicht umsetzbar sei, berichtet Emilija Mitrovic, | |
Leiterin des Projektes "Arbeitsplatz Prostitution" bei der Gewerkschaft | |
Ver.di. Auch die Diakonie schlägt eine völlig andere Stoßrichtung vor. | |
"Prostituierte und Freier räumlich zu verdrängen und gleichzeitig | |
Sozialprojekten im Stadtteil die Mittel zu kürzen, ist eindimensional und | |
keine überzeugende Politik des Senates, sagen Mohnert und Bähr. | |
Sie schlagen vor, stattdessen die Idee des Runden Tisches "Sexuelle | |
Dienstleistungen in Hamburg" aufzugreifen und einen Runden Tisch | |
"Prostitution in St. Georg" einzurichten. An dem sollten alle wichtigen | |
Institutionen beteiligt werden, um die unterschiedlichen Interessen zu | |
berücksichtigen und die Maßnahmen von Polizei und Sozialarbeit aufeinander | |
abzustimmen. Am 4. Februar wird sich erst einmal Protest gegen die geplante | |
Verordnung formieren: Dann demonstriert das Bündnis "Recht auf Straße" in | |
St. Georg. | |
22 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
K. von Appen | |
L. Kaiser | |
## TAGS | |
Sexarbeit | |
Schweiß | |
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