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# taz.de -- Prostitution als Beruf: Kommen Sie ins Bordell!
> Die mediale Inszenierung von Bettina Wulff geht auf Kosten der
> Prostituierten. Eine Hure schlägt ihr einen Besuch am Arbeitsplatz vor –
> mit Praktikum.
Bild: Praktikum: Bettina Wulff ist eingeladen, den Arbeitsalltag zu verstehen.
Zur Hure muss man Distanz halten. Immer dann, wenn das Thema Prostitution
in deutschen Medien auftaucht – wie jetzt im Fall von Bettina Wulff –, geht
es darum, zu leugnen, zu verneinen, möglichst viel Abstand zwischen sich
selbst und dieses immer noch als anstößig empfundene Gewerbe zu bringen.
Ist das nicht langsam müßig?
Offiziell hat die Politik längst verstanden, dass Huren einem normalen
Beruf nachgehen. „Im weltanschaulich neutralen Staat des Grundgesetzes ist
die freiwillige Ausübung der Prostitution daher so lange als autonome
Entscheidung vom Recht zu respektieren, als keine Rechte anderer verletzt
werden“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Evaluation von 2007. „Die
eigenverantwortlich ausgeübte Prostitution verstößt nicht automatisch gegen
die Menschenwürde der Prostituierten.“
Sie ist zudem ein gewinnträchtiges, steuerzahlendes Gewerbe. An dessen
Einnahmen die Behörden übrigens gerne mitverdienen – ob nun per
Steuerautomat wie in Bonn oder in Form einer kommunalen Vergnügungssteuer
wie in Duisburg. Prostitution ist ein Beruf, dessen sich niemand schämen
muss. Nicht nur, weil er auf dem Boden des Gesetzes steht. Sondern auch,
weil viele Umfragen zeigen, dass die Deutschen Prostitution als wichtige
Arbeit empfinden, die mit anderen Berufen gleichgestellt werden sollte.
Prostituierte befriedigen berechtigte Bedürfnisse von Männern und Frauen,
die sonst unerfüllt blieben. Das ist eine wichtige soziale Aufgabe. Wer in
diesem Beruf arbeitet, braucht ein großes Herz und Freude am Menschen.
Natürlich findet es der eine oder die andere moralisch verwerflich, was wir
tun – das ist ihr gutes Recht. Aber diese Moral darf nicht benutzt werden
wie eine große Keule, mit der alles zu Klump gehauen wird, was einem
persönlich nicht gefällt. Prostituierte zu diskriminieren, weil man sich
selbst nicht vorstellen kann, als Sexarbeiter sein Geld zu verdienen, ist
in einer sich gerne aufgeklärt gebenden westlichen Gesellschaft ein
unwürdiges Gebaren.
## Ein Angebot an Bettina Wulff
Schaut man sich das jetzige Medienspektakel um das angebliche „Vorleben“
und das Buch der ehemalige First Lady an, so scheint Bettina Wulff das
anders zu sehen. Ich mache ihr ein Angebot: Es lässt sich leise und gewiss
auch von den Medien unbemerkt ein Bordell finden, dass ihr persönliche
Einblicke in die Arbeit und die täglichen Geschäftsabläufe gewährt.
Praktikum inbegriffen.
Denn vielleicht glaubt sie – die mit Sicherheit nie Hure war – tatsächlich
all den Vorurteilen und Klischees über diesen Beruf. Etwa das Stigma „Huren
machen für Geld alles“. Sie selbst hat es jedenfalls verstanden, das
Huren-Gerücht in klingende Münze umzusetzen. Gerne stelle ich mir die
Reaktion einer Sexarbeiterin vor, wenn die Medien behaupten würden, sie
hätte früher für die CDU gearbeitet. Leider wird das nie passieren.
Was ich mir aber schon wünschen darf, ist eine charmantere Klarstellung von
Bettina Wulff. Was wäre denn so schwer daran, einfach zu sagen: „Nein, ich
habe nicht als Prostituierte gearbeitet.“ Und dann hinterherzuschieben:
„Aber an der Arbeit einer Prostituierten ist auch nichts auszusetzen.“
So bleibt für mich und meine KollegInnen ein ziemlich übler Beigeschmack:
auf der einen Seite die große mediale Inszenierung einer öffentlichen
Person und auf der anderen Seite die Herabwürdigung der Prostituierten, auf
deren Kosten diese Inszenierung geht.
18 Sep 2012
## AUTOREN
Stephanie Klee
## TAGS
Prostitution
Prostitution
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