# taz.de -- Straßenstrich: Mit Lockvögeln auf Freier-Jagd | |
> Das Kontakt-Verbot für Sexarbeiterinnen und Freier in St. Georg wird | |
> verlängert. Als Huren verkleidete Polizistinnen sollen Verstöße | |
> aufdecken. | |
Bild: Polizistin oder Prostituierte? Zivilfahnderinnen sollen Freier bei der An… | |
Hamburg taz | Die Kontakt-Verbots-Zone für Freier und Sexarbeiterinnen in | |
St. Georg bleibt weiter in Kraft. Das wird der SPD-Senat am Dienstag | |
beschließen, sagte Senatssprecher Jörg Schmoll der taz. Bis Mitte 2014 | |
sollen die Auswirkungen abgewartet werden, bevor eine Evaluation | |
vorgenommen wird. Um das Kontakt-Verbot effektiver zu gestalten, setzt die | |
Polizei vermehrt als Prostituierte verkleidete junge Polizistinnen ein, um | |
Freier bei Anbahnungsgesprächen auf frischer Tat zu ertappen. | |
Der SPD-Senat hatte das Kontakt-Verbot im Februar 2012 ausgesprochen, um | |
den Straßenstrich hinter dem Hauptbahnhof im Zuge der Gentrifizierung des | |
Quartiers zu verdrängen. Seit 1980 war St. Georg bereits Sperrgebiet für | |
Prostituierte, Verstöße der Frauen dagegen waren aber nur prophylaktisch | |
geahndet worden. | |
Seit 2012 gibt es härtere Regeln – auch für Freier. Also nicht nur die | |
Sexarbeiterinnen können mit Bußgeldern belangt werden, wenn diese ihre | |
sexuellen Dienstleistungen offen anbieten, sondern auch die Freier können | |
nach schwedischem Modell belangt werden – die erste ertappte | |
Kontaktaufnahme kostet in der Regel 200 Euro. | |
Doch diese Abschreckung brachte offenkundig nicht den gewünschten Erfolg. | |
„Es ist richtig, dass Zivilfahnderinnen eingesetzt werden“, bestätigt | |
Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Gegenüber den Straßensozialarbeiterinnen | |
vom „Cafe Sperrgebiet“ hat das Dezernat Milieu-Schutz in St. Georg zwar | |
versichert, dass die jungen Polizistinnen keine aktive Rolle einnehmen und | |
keine vermeintlichen Freier ankobern. Anwohner berichten jedoch anderes. | |
„Die sind richtig aufgepeppt und tragen milieu-typische Kleidung“, sagt ein | |
Gastronom. „Die stellen sich in die Eingänge richtig herausfordernd und | |
anmachend hin.“ | |
Das bestreitet Polizeisprecherin Sweden. „Sie sind nicht auffällig | |
gekleidet“, sagt Sweden. „Natürlich haben sie im Sommer keine langen Hosen | |
an.“ Mitarbeiterinnen der Drogenhilfeeinrichtung „Ragazza“ berichten | |
ebenfalls, dass die Polizistinnen offensiv vermeintliche Freier ansprechen. | |
„Das beobachten wir immer wieder“, sagt Ragazza-Sozialarbeiterin Svenja | |
Korte-Langner. Aber auch männliche Zivilfahnder sprächen die Frauen | |
offensiv an, verhandelten erst, um dann das Bußgeld aussprechen zu können. | |
Für die Frauen hätten die Auswirkungen der Sperrgebietsverordnung und das | |
Kontakt-Verbot gravierende Auswirkungen. „Der Verschuldungsgrad ist hoch | |
und der permanente Druck zwingt die Frauen, noch mehr arbeiten zu müssen“, | |
sagt Korte-Langner. Einige Frauen seien mit Bußgeldern von 3.500 Euro | |
belastet worden. Andere befänden sich deswegen schon im Frauengefängnis | |
Hahnöfersand – als Ersatzstrafe, weil sie die Bußgelder nicht zahlen | |
konnten. | |
In den Behörden herrscht laut Senatssprecher Schmoll derzeit Uneinigkeit | |
über Sinn und Wirkung der Maßnahme, deshalb die Verlängerung. „In nur einem | |
Jahr reichen die Erfahrungen nicht aus“, sagt Schmoll. Das sieht die | |
Streetworkerin Korte-Langner anders: „Wir sehen nur Negatives“, sagt sie. | |
„Durch die hohe Repression hat die Prostitution in St. Georg nicht | |
abgenommen“, so Korte-Langner, „sie hat sich nur in das Dunkelfeld | |
verlagert, was die Arbeit noch gefährlicher macht.“ Denn nun müssten sich | |
die Frauen mit den Kunden in dunklen Ecken und Höfen treffen oder sogar in | |
fremde Autos einsteigen. | |
18 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Prostitution | |
Grüne | |
Prostitution | |
Grüne | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prostituierte über Sexarbeit: „Wir sind doch die Aktiven“ | |
Männer müssen sich outen, wenn sie ihre Dienste wollen, sagt Johanna Weber. | |
Die Prostituierte wehrt sich gegen das Opferimage in ihrem Berufsstand. | |
Kommentar Prostitution: Sexarbeit ist ein Beruf | |
Nicht einmal die Grünen bieten Vorschläge an, die Branche zu regulieren. | |
Wie andere Parteien verstecken sie sich hinter Ideologien. | |
Erster Prostitutionspark der Schweiz: Nix zu dritt – und nur im Auto | |
Mit einem Auto-Sexpark sollen Prostituierte vom berüchtigten Zürcher | |
Bahnhof weggelockt werden. Aber wie werden die Sexarbeiterinnen reagieren? | |
Debatte Pädophilie und Prostitution: Die Würde der Sexarbeiterinnen | |
Alice Schwarzer nutzt die gegenwärtige Debatte aus, um Prostitution erneut | |
zu kriminalisieren. Dabei argumentiert sie mit verkapptem Rassismus. | |
Sexarbeit: "Katastrophale Vorstellung" | |
Seit der Tatort-Doppelfolge wird wieder über das Prostitutionsgesetz | |
diskutiert. Sozialarbeiterinnen finden das völlig unnötig, die Debatte | |
werde nicht sachlich geführt | |
Sanktionierte Sexarbeit: 40.000 Euro fürs Ansprechen | |
Mit einem Kontakt-Verbot geht der Hamburger Senat seit Februar gegen | |
Prostitution im Bahnhofsviertel St. Georg vor, nun gibt es erste Zahlen. |