# taz.de -- Enttarnung von Ladislaus Csatarys: Kein Nazi soll sich sicher sein | |
> Mit der Enttarnung Ladislaus Csizsik-Csatarys meldet das | |
> Simon-Wiesenthal-Zentrum einen großen Erfolg. Noch immer finden sich neue | |
> Fälle. | |
Bild: In diesem Haus in Budapest hat die „Sun“ Ladislaus Csizsik-Csatarys g… | |
BERLIN taz | 25.000 US-Dollar: Diese Summe könnte das | |
Simon-Wiesenthal-Zentrum demnächst an einen Unbekannten überweisen. Denn so | |
hoch ist die Belohnung, die die Organisation und ihr Jerusalemer | |
„Nazi-Jäger“ Efraim Zuroff für das Ergreifen gesuchter NS-Kriegsverbrecher | |
verspricht. „Operation Last Chance“ nennt sich Zuroffs Initiative für die | |
weltweite Suche. Am Sonntagabend haben sie Ladislaus Csizsik-Csatary | |
erwischt. | |
Der Ungar soll 1944 als Polizeikommandeur bei der Deportation von 15.700 | |
Juden nach Auschwitz geholfen haben. Am Montag erschien die britische Sun | |
mit seinem Foto: ein 97-Jähriger im Unterhemd, an seiner Wohnungstür | |
stehend. Er wolle nicht diskutieren, sagte Csatary den Journalisten zu den | |
Vorwürfen und knallte unmissverständlich die Tür zu. | |
„Die ungarischen Behörden kannten seit zehn Monaten seinen Aufenthaltsort“, | |
sagte Efraim Zuroff der taz. Doch nichts sei passiert. Zuroff informierte | |
das britische Boulevardblatt. „Jetzt machen wir Druck“, sagt er. Gerade in | |
Osteuropa stößt der „Nazi-Jäger“ immer wieder auf Schwierigkeiten mit den | |
Behörden, denen es an Engagement fehlt. Denn Csizsik-Csatary ist nicht der | |
einzige noch lebende mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher. Das | |
Wiesenthal-Zentrum führt eine Liste weiterer mutmaßlicher Täter. | |
Csizsik-Csatary steht dort ganz oben. | |
Und Efraim Zuroff ist nicht der Einzige, der fast 70 Jahre nach dem | |
Holocaust weiter auf der Spur der Täter bleibt. In Washington ermittelt das | |
Office of Special Investigation (OSI) gegen Nazis, die sich nach dem Krieg | |
die US-Staatsbürgerschaft erschlichen haben. | |
In Deutschland arbeiten zwei Behörden an der Aufklärung | |
nationalsozialistischer Straftaten: die Zentrale Stelle zur Aufklärung | |
nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg und die | |
Staatsanwaltschaft in Dortmund für Nordrhein-Westfalen. Immer noch finden | |
sie neue Fälle, häufig durch Recherche in historischen Archiven. Sie alle | |
eint der Konsens, dass auch Greise nicht unbestraft bleiben dürfen. | |
## Sieben SS-Männer im Fokus | |
„Es soll sich keiner sicher sein, dass er nicht verfolgt wird“, sagt der | |
Dortmunder Staatsanwalt Andreas Brendel der taz. Sein jüngstes Verfahren | |
richtet sich gegen sieben Männer wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord. | |
Sie sollen an einem Massaker der SS im französischen Oradour-sur-Glane | |
beteiligt gewesen sein, bei dem im Juni 1944 642 Menschen ermordet wurden. | |
Die neuen Ermittlungen begannen, nachdem Historiker Hinweise in Stasiakten | |
gefunden hatten. Sechs der sieben Männer leben in der Bundesrepublik, einer | |
in einem anderen europäischen Land. Alle sind heute über 80 Jahre alt. | |
Auch bei der Zentralen Stelle wurde man jüngst erneut fündig. Dank deren | |
Recherchen ermittelt die Staatsanwaltschaft in Cottbus derzeit gegen einen | |
91-Jährigen, dem zweifache Beihilfe zum Mord an 360 Menschen zum Vorwurf | |
gemacht wird. Er soll sich im Oktober und November 1942 am Mord an den | |
Juden von Shitomir beteiligt haben. Damals wurden nach der Gettoräumung in | |
dem ukrainischen Städtchen 360 Personen von der SS getötet und anschließend | |
in einem Massengrab verscharrt. | |
Von Frustration bei seinem Ermittlungen mag der Dortmunder Staatsanwalt | |
Brendel nicht sprechen. Doch natürlich gestalten sich Strafverfahren | |
angesichts des hohen Alters der Beschuldigten zunehmend schwieriger. Etwa | |
weil ein mutmaßlicher Täter kurz vor Beginn seinen Prozesses verstirbt– so | |
wie Samuel Kunz aus Bonn 2010, dem Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager | |
Betzec vorgeworfen wurde. | |
Häufiger noch müssen Amtsärzte feststellen, dass die greisen Täter zu krank | |
oder zu dement für einen Prozess sind. „Von den Beschuldigten im Fall | |
Oradour sind drei verhandlungsunfähig“, sagt Brendel. Emotionen gehörten | |
zwar auch zu seinem Job, aber: „Ich ermittle Straftaten und halte mich an | |
die Strafprozessordnung.“ | |
„Unsere Arbeit erfolgt ohne Erfolgsgarantie“, sagt Efraim Zuroff vom | |
Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem. Er sieht gute Chancen, dass der Erfolg im | |
Fall des Ungarn Csizsik-Csatary nicht der letzte sein wird. | |
16 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
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Kriegsverbrechen | |
Fußball-EM 2012 | |
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