# taz.de -- Kommentar Jagd auf Nazi-Verbrecher: Mord verjährt nicht | |
> Von Ladislaus Csizsik-Csatary geht keine Gefahr mehr aus, nein. Doch das | |
> heißt noch lange nicht, dass man ihn jetzt schonen muss. | |
Hat es Sinn, Greise vor Gericht zu zerren, obwohl ihre Taten 70 Jahre | |
zurückliegen? Wird nicht mit zweierlei Maß gemessen, wenn man heute | |
Polizisten und Hilfskräfte verfolgt, obwohl die meisten, inzwischen längst | |
verstorbenen Befehlsgeber einen geruhsamen Lebensabend in Freiheit genießen | |
durften? Und ist bei den uralten mutmaßlichen Tätern eine | |
Wiederholungsgefahr nicht vollständig auszuschließen? | |
Um mit Letzterem zu beginnen: Selbstverständlich geht von dem heute 97 | |
Jahre alten Ladislaus Csizsik-Csatary in Budapest keine Gefahr mehr aus. | |
Das einzig Gefährliche, was noch passieren kann, ist, dass er mit seinem | |
Auto einen Verkehrsunfall verursacht. Und ja, natürlich ist es eine | |
Ungerechtigkeit, wenn man die großen Täter vor Jahrzehnten hat laufen | |
lassen, während man heute hinter den kleineren Befehlsempfängern her ist. | |
Jedoch: Die mehr als großzügige Behandlung von Nazi-Tätern, insbesondere | |
durch die bundesdeutsche Justiz in der Vergangenheit, kann kein Grund dafür | |
sein, mit diesem Fehler auch noch fortzufahren und mit ähnlicher Nachsicht | |
die noch Lebenden zu behandeln. | |
Es geht um Mord, und der verjährt aus gutem Grund nicht. Der große | |
zeitliche Abstand zur Tat mag in einem Urteilsspruch Berücksichtigung | |
finden, ein Grund, gar nicht erst einzuschreiten, ist dies keinesfalls. Was | |
wäre das für eine Justiz, die danach vorginge, wie lange ein Mord | |
zurückliegt? Die Täter bekämen einen Freispruch nicht aus Mangel an | |
Beweisen, sondern wegen der Vielzahl von vergangen Jahren. | |
Der Schlussstrich würde all jene erfreuen, die den Tätern ideologisch | |
nacheifern. Die überlebenden Opfer und ihre Nachfahren aber erhielten den | |
Bescheid, dass sie mit dem Strafverfahren leider bis zum Jüngsten Gericht | |
warten müssten. | |
Bei der Strafverfolgung mutmaßlicher Nazi-Verbrecher kommt ein | |
verschärfender Aspekt hinzu: Bei den Taten handelt es sich nicht um Morde | |
aus privaten Motiven, sondern um Akte der Staatsräson. Die Taten geschahen | |
in höherem Auftrag. Es muss Aufgabe europäischer Politik und Justiz | |
bleiben, die Täter unnachsichtig zu verfolgen, schon um Nachahmungen | |
jeglicher Art so weit wie möglich zu verhindern. Denn die Täter von damals | |
mögen heute ungefährlich sein. Die rassistische und antisemitische Politik | |
aber, die hinter ihren Taten steht, ist leider immer noch aktuell. | |
16 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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