Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ehemaliger KZ-Aufseher soll vor Gericht: Tausendfacher Mord
> Einem ehemaligen Ausschwitz-Aufseher soll der Prozess gemacht werden. Der
> 87-jährige könnte an der Ermordung von fast 350.000 Menschen beteiligt
> gewesen sein.
Bild: Die Gleise führen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, in dem ru…
LUDWIGSBURG/WEIDEN dapd | Ein ehemaliger Aufseher im Konzentrationslager
Auschwitz muss sich möglicherweise vor Gericht verantworten. Wie die
Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen am Montag in Ludwigsburg mitteilte, ist
ein Vorermittlungsverfahren gegen den 87-Jährigen abgeschlossen. Der Fall
sei an die Staatsanwaltschaft in Weiden in der Oberpfalz abgegeben worden.
Der Beschuldigte soll 1944 an der Tötung von mindestens 344.000 ungarischen
Juden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau beteiligt gewesen sein. Der
Mann lebt den Angaben zufolge im Ausland. Er hat keine deutsche
Staatsbürgerschaft. Zu seiner genauen Herkunft wollte die Ludwigsburger
Stelle auf Anfrage keine Angaben machen. Ob ein Auslieferungsersuchen
gestellt werde, habe jetzt die Staatsanwaltschaft zu entscheiden, sagte ein
Sprecher.
Die Staatsanwaltschaft im oberpfälzischen Weiden konnte keine
weitergehenden Auskünfte zu dem Verfahren machen. "Der Vorgang ist erst
heute bei uns eingegangen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd
Schäfer auf dapd-Anfrage.
## Freiwillig zur Waffen-SS
Es müsse jetzt zunächst geprüft werden, ob die Strafverfolgungsbehörde in
Weiden tatsächlich für das weitere Verfahren zuständig sei. Möglicherweise
stamme der Beschuldigte aus der Oberpfalz, sagte Schäfer. Er rechnet damit,
dass die Prüfung des Falles durch seine Behörde mehrere Wochen dauert.
Nach dem Ergebnis der Vorermittlungen in Ludwigsburg trat der Beschuldigte
1942 freiwillig in die Waffen-SS ein und wurde zum Wachmann ausgebildet.
Vermutlich im November 1943 versetzte man ihn in das Konzentrationslager
Auschwitz. Spätestens ab April 1944 soll er im Vernichtungslager Birkenau
gedient haben. Allein zwischen 19. Mai und 22. Juli 1944 trafen dort
während der sogenannten Ungarn-Aktion mindestens 137 Züge mit mehr als
433.000 Deportierten ein, von denen mindestens 344.000 unmittelbar nach
ihrer Ankunft in den Gaskammern umgebracht wurden.
## Aufseher im Vernichtungslager
Der heute 87-Jährige hat nach Auffassung der Zentralen Stelle zu diesen
Tötungen einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet. Durch seine Tätigkeit
beim Absperren der Rampe, beim Wachdienst um das Lager und dem Dienst auf
den Wachttürmen im Lager Birkenau habe er die Vernichtung der Deportierten
im Zusammenwirken mit anderen SS-Angehörigen gefördert und damit einen
Beitrag zu den Tötungsverbrechen geleistet, die als Mord zu qualifizieren
seien.
In dem deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau haben die Nazis
zwischen 1941 und 1945 rund 1,1 Millionen Menschen ermordet, darunter eine
Million Juden. Sollte es zum Prozess gegen den 87-Jährigen kommen, wäre
dies wahrscheinlich einer der letzten gegen NS-Täter während des Holocaust.
Der ehemalige KZ-Aufseher John Demjanjuk war im Mai 2011 wegen Beihilfe zum
Mord an mindestens 28.060 Menschen im Jahr 1943 im NS-Vernichtungslager
Sobibór zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
In Frankfurt am Main begann 1963 der erste sogenannte Auschwitz-Prozess
gegen Aufseher und Angehörige der Lagerverwaltung im Vernichtungslager
Auschwitz. 1965 erhielten sechs Angeklagte lebenslange Strafen, elf weitere
Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und 14 Jahren. Drei Angeklagte wurden
freigesprochen. Die Freisprüche und das teilweise geringe Strafmaß lösten
damals international Empörung aus.
20 Aug 2012
## TAGS
Kollaboration
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NS-Verbrechen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Abschiebung von Jakiv Palij: Ein alter Nazi mehr
Es ist richtig, dass Deutschland den Nazi-Kollaborateur Jakiv Palij
aufnimmt. Die Bundesrepublik hat schon eine Menge Alt-Nazis durchgefüttert.
Mutmaßliche NS-Täter: Knapp 20 KZ-Aufseher aufgespürt
Fast zwei Dutzend Wärter aus dem Nazi-Vernichtungslager Majdanek sollen
entdeckt worden sein. Die Ludwigsburger NS-Fahndungsstelle hatte nach ihnen
geforscht.
Ermittlungen gegen NS-Verbecher: Jagd auf Nazi-Greise
Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm bestätigt der taz: Nach fast 70 Jahren
könnten mutmaßliche NS-Täter jetzt vor Gericht gestellt werden.
Strafverfolgung von Alt-Nazis: „Demjanjuk war ein Dammbruch“
Der Nazi-Wachmann John Demjanjuk konnte ohne konkreten Tatvorwurf
verurteilt werden. Ermittler prüfen nun ähnliche Fälle – eine Anklage
könnte es schon bald geben.
Antisemitismus in Ungarn: Nazis unter sich
Ungarn geht zögerlich gegen Nazi-Verbrechen vor. Die wenigen Aktivisten,
die dagegen protestieren, werden von Rechtsradikalen bedroht.
Keine Rente für KZ-Opfer-Witwe: Die verlorene Ehre der Familie B.
Der Staat verwehrt der Witwe eines Sinto, der Auschwitz überlebte, eine
Hinterbliebenenrente. Seit drei Jahren kämpft Eva B., nun wird der Fall vor
Gericht verhandelt.
Ladislaus Csatarys Nazi-Verbrechen: Der Massenmord von Košice
Ladislaus Csizsik-Csatary soll für die Deportationen aus der slowakischen
Stadt Košice verantwortlich sein. Etwa 15.700 Menschen wurden ermordet.
Enttarnung von Ladislaus Csatarys: Kein Nazi soll sich sicher sein
Mit der Enttarnung Ladislaus Csizsik-Csatarys meldet das
Simon-Wiesenthal-Zentrum einen großen Erfolg. Noch immer finden sich neue
Fälle.
Zum Tod des Kriegsverbrechers Demjanjuk: Der Nazi-Mörder von Sobibor
Er war nicht „Iwan, der Schreckliche“ aus dem KZ Treblinka. Doch seine
Grausamkeiten wiegen nicht minder schwer: Der Mord an über 26.000 Menschen
wird ihm vorgeworfen.
Nazijäger Efraim Zuroff: Die Täter müssen vor Gericht
Efraim Zuroff vom Jerusalemer Simon Wiesenthal Center ist berühmt geworden
als sogenannter Nazijäger. Beständig arbeitet er gegen die Umdeutung der
Schoah.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.