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# taz.de -- Senatorin ohne Verantwortung: Showdown im Keim-Ausschuss
> Die Gesundheitssenatorin Jürgens-Pieper (SPD) lehnt die Verantwortung für
> den Hygiene-Skandal ab. CDU fordert Neubesetzung.
Bild: Kritikresistent: Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD).
Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) lehnt eine Verantwortung
für den Hygiene-Skandal im Klinikum Bremen-Mitte ab. Am Dienstag trat sie
vor den Untersuchungsausschuss Krankenhauskeime.
Mit ihr als letzter Zeugin schließt die Beweisaufnahme, die seit acht
Monaten den Ausbruch von Krankenhaus-Keimen und den Tod von mindestens drei
Frühchen im Klinikum Bremen-Mitte (KBM) erforscht. In einem mehr als
einstündigen Eingangs-Statement erklärte Jürgens-Pieper den Abgeordneten,
was sie als Senatorin alles richtig gemacht habe. Die CDU fordert zwar eine
Neubesetzung des Gesundheitsressorts und seine Trennung von den Ressorts
Bildung und Wissenschaft. Doch es ist fraglich, ob das die Senatorin zu
Fall bringt.
„Ich übernehme keine Verantwortung für Probleme, die nicht in meinem
Zuständigkeitsbereich liegen“, erklärte Jürgens-Pieper. Ohnehin seien
Krankheit und Tod Teil des Lebens: „In diesen Fragen sollten wir nicht zu
schnell, zu laut und zu unbedacht Schuld zuweisen.“ Denn die, so lässt sich
folgern, liegt bei anderen – oder vor ihrem Amtsantritt als
Gesundheitssenatorin Mitte 2011. Als Aufsichtsrätin der Klinik-Holding
Gesundheit Nord (Geno) überwachte sie nur deren Geschäfte. Und seit sie als
Senatorin im November von dem Keim-Ausbruch erfuhr, habe sie „unverzüglich“
gehandelt.
„Ich kenne bisher niemanden, der an den Maßnahmen etwas auszusetzen hat“,
so Jürgens-Pieper. Gehen mussten bislang tatsächlich andere: Gleich im
November der Chefarzt der Kinderklinik, Hans-Iko Huppertz. Dessen
Entlassung hatte das Arbeitsgericht für unrechtmäßig erklärt. Einen Fehler
hat die Senatorin hier indes nicht begangen: Schließlich hatte sie mit der
Entscheidung nichts zu tun.
Anders bei Diethelm Hansen, dem Chef der Gesundheit Nord: Den hat sie
freigestellt – bis heute ist er nicht entlassen – als im Februar auch nach
der Hygiene-Sanierung dieselben Keime auf der Frühchenstation wieder
auftauchten. Gleiches tat sie mit Krankenhaus-Hygieniker Axel Kappler.
Vor ein paar Tagen forderte die CDU schließlich den Rücktritt von Renate
Jürgens-Pieper, allerdings als Bildungssenatorin, wegen des Chaos um die
Lehrerstellen und wegen der wirtschaftlichen Lage des Klinikums, dessen Ruf
vom Hygiene-Skandal stark angeschlagen ist. Jürgens-Pieper ignorierte die
Idee.
Denn einer steifen Briese zu trotzen, das hat sie gelernt. Die Seglerin,
die ehemalige Kultusministerin Niedersachsens. Dort überstand sie Gerhard
Schröder, Gerhard Glogowski und Sigmar Gabriel. Und in Bremen
antibiotikaresistente Keime.
Deren Ursprung versuchte der parlamentarische Untersuchungsausschuss seit
November zu ermittelt: mit 12 Abgeordneten, 85 Zeugen und Sachverständige,
31 öffentlichen und 41 nicht-öffentlichen Sitzungen. Mit Begehungen der
infizierten Frühchen-Station im KBM und Durchsuchungen im Krankenhaus.
Vielleicht, ja, vielleicht stammen die Keime aus einem Biofilm in einer
Desinfektions-maschine, abschließend klären lässt sich das nicht. Aber
vielleicht bringt der Bericht des Ausschusses noch eine Überraschung. Im
September soll er vorliegen. Die Senatorin zumindest rät den
Ausschussmitgliedern, nicht ihre Kompetenzen zu überschreiten. Eine
„Kausalkette“ zwischen den festgestellten Fehlern und dem Tod der Frühchen
festzustellen, das sei Sache der Strafjustiz. Mit der Aufgabe, die Ursachen
für die Keim-Infektion zu erforschen, sei dem Untersuchungsausschusses
ohnehin vom Parlament die Rolle wissenschaftlicher Experten zugewiesen
worden. Und wer ist das schon, ohne Biologie und Chemie studiert zu haben –
so, wie die Senatorin.
17 Jul 2012
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Jean-Philipp Baeck
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Frühchen
Bremen
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