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# taz.de -- Klinik-Skandal: Chefs sind verantwortlich
> Der Essener Hygieniker Walter Popp als Gutachter fand überraschend klare
> Worte: Für die skandalösen hygienischen Zustände sei die Klinik-Politik
> verantwortlich
Bild: Im Zentrum des Medien-Interesses: der Essener Klinik-Hygieniker Walter Po…
Viele Sitzungen hat der Klinik-Untersuchungsausschuss bisher hinter sich
gebracht, der die politischen Verantwortlichkeiten für den Tod der Frühchen
im Klinikum Mitte klären sollte. Handfeste Ergebnisse hatte diese Arbeit
bisher nicht. Und dann kam gestern der von der Staatsanwaltschaft
eingeschaltete Gutachter Walter Popp, Hygieniker aus Essen, ein Mann, der
kein Blatt vor den Mund nimmt. „Viel mehr Mängel als hier kann man nicht
mehr finden“, fasst er seinen Eindruck zusammen. Ärzte und Pflegekräfte
sind nach seiner Sicht der Dinge nicht verantwortlich zu machen, sondern
das Klinikmanagement und die politische Aufsichtsebene: „Totales
Organisationsverschulden“ stellte Popp fest. Die Geschäftsführung des
Klinikverbunds habe die fraglichen Stationen so schlecht mit Personal
ausgestattet, dass die Hygiene-Vorschriften gar nicht eingehalten werden
konnten. Gleichzeitig seien die seit 2009 als „Stand der Technik“ geltenden
Vorgaben für ein Hygiene-Management nicht ernst genommen worden. Die
Reinigung sei „ein Desaster“ gewesen. Und schließlich sei nach dem ersten
Todesfall kein „Ausbruchsmanagement-Team“ gebildet worden mit dem Ziel, den
Keimbefall in den Griff zu bekommen, sondern ein „Krisenstab“, dessen
größte Sorge die „Schadensbegrenzung nach außen“ gewesen sei, um die
Reputation der Klinik zu sichern.
Das war harter Tobak, und die Ausschuss-Vorsitzende, die SPD-Politikerin
Antje Grotheer, mühte sich über mehrere Stunden, durch kritisches
Nachfragen die Kompetenz des Gutachters zu erschüttern. „Ich könnte
kotzen“, erregte sich der CDU-Gesundheitspolitiker Rainer Bensch in einer
Sitzungspause. Der Parlamentsausschuss habe die Aufgabe, den Klinik-Skandal
aufzuklären und nicht die Senatorin aus durchsichtigen parteipolitischen
Gründen zu entlasten. Claudia Bernhard von der Linken forderte denn auch
prompt, dass bei Untersuchungsausschüssen der Vorsitz in Zukunft an die
Opposition vergeben werden sollte.
Am Nachmittag kamen dann die Oppositionsvertreter mit ihren Nachfragen zum
Zuge. Popp erläuterte das Desinfektions-„Desaster“: Die Reinigung durch
schlecht bezahlte Fremdfirmen sei vollkommen unzureichend gewesen, der
ESBL-Keim wurde mal an einer Windelwaage gefunden, mal an einer
Muttermilch-Pumpe. Es gab eine Salben-Dose, alles optimale Verbreitungswege
für Keime. Diese Befunde wurden nach den Todesfällen erhoben – Popp kommt
zu dem Schluss: „Allein hiermit lässt sich das ständige Auftreten der Keime
bis in das Jahr 2012 hinein zwanglos erklären.“
Und die Hygiene-Fachleute? Schon die Tatsache, dass der Ausbruch (erster
Nachweis: Mai 2011) bis zum Mai 2012 nicht gestoppt werden konnte, zeige,
dass sie „offensichtlich nicht über ausreichende hygienische Kompetenz“
verfügten. Der Chefarzt Hans-Iko Huppertz habe die Meldung eines Ausbruchs
mit der Begründung abgelehnt, es handele sich nur um eine „Häufung“ –
fassungslos steht Popp vor so einer Aussage: „Eine Häufung ist doch ein
Ausbruch, was sonst?!“ Huppertz habe am Ende selbst nicht mehr gewusst, ob
er für Hygiene verantwortlich ist oder nicht. Der Klinik-Hygieniker Dr.
Axel Kappler sei ein Mikrobiologe, kein Arzt, und es finde sich in seiner
Akte kein Hinweis, wer dafür eine Übergangs-Genehmigung erteilt habe. Er
sei bestellt worden, „auch wenn er die Qualifikation nicht hatte“. In den
Krisen-Wochen habe er dann kaum eine Rolle gespielt. Sein Labor hätte im
Mai 2011 den Ausbruch erkennen müssen, so Popp.
Bei der Klinik-Leitung habe es zudem „genügend Hinweise“ darauf gegeben,
dass es „zu wenig qualifiziertes Hygienefachpersonal“ für eine
verantwortliche Arbeit auf der Frühchen-Station gab. Auch die
Geschäftsführung habe „die Sorgfaltspflicht verletzt“, schloss Popp.
4 Oct 2012
## AUTOREN
Klaus Wolschner
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