# taz.de -- Klage gegen Klinikum: Und immer wieder Keime | |
> Wegen „zahlreicher Hygienemängel“ wird die Gesundheit Nord auf über | |
> 100.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Die Klinik weist jedoch alle | |
> Vorwürfe von sich. | |
Bild: 2011 waren Keime für den Tod mehrerer Frühchen in Bremen verantwortlich | |
BREMEN taz | Von seinen Krankenhauskeimen hat sich Franz Funke „nie wieder | |
richtig erholt“. Sagt sein Sohn. Und so steht es jetzt auch in der | |
Klageschrift. Wobei: Dass sein Vater daran gestorben ist, 2015 – so weit | |
würde nicht mal Marcus Funke gehen. Fest steht nur, dass Franz Funke von | |
MRSA-Bakterien besiedelt war, als er 2012 im Klinikum Links der Weser | |
behandelt wurde. Und zwar gleich drei Mal. | |
Funke verklagt den kommunale Klinikverbund im Namen seiner Mutter nun auf | |
102.975 Euro Schmerzensgeld. Wegen „zahlreicher Hygienemängel“ und | |
„systematischer Behandlungsfehler“ im Klinikum Links der Weser. Das | |
Krankenhaus selbst weist freilich alle Vorwürfe von sich: Herr Funke sei | |
„ordnungsgemäß und fachgerecht“ behandelt worden, schreibt der Anwalt der | |
Gesundheit Nord. | |
Einer, der genau daran Zweifel hat, ist Walter Popp, der Vizepräsident der | |
Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Er hat über die Behandlung | |
des Herrn Funke ein zehnseitiges Gutachten geschrieben – und macht dem | |
Krankenhaus nun große Vorwürfe. „Das Umgehen mit diesem MRSA ist oft | |
schlecht dokumentiert und lässt sich kaum nachvollziehen“, heißt es da | |
gleich zu Beginn. Sein Resümee: Die Behandlung „war nicht fachgerecht“. | |
Insgesamt lag Franz Funke 2012 drei Mal im Klinikum Links der Weser – im | |
Januar, im Mai und im September. Gutachter Popp geht davon aus, dass Funke | |
sich seine MRSA-Bakterien gleich bei seinem ersten Aufenthalt eingefangen | |
hat. Und bis zum Schluss „nie suffizient saniert wurde“. | |
## Mängel nicht zum ersten Mal | |
Schon einmal hat Popp der kommunalen Klinikverbund zahlreiche Missstände | |
attestiert. Nach einem Keimausbruch auf der Frühchen-Station des Klinikums | |
Bremen-Mitte beauftragte ihn die hiesige Staatsanwaltschaft. Drei | |
Frühgeborene waren 2011 nach einer Infektion mit dem Darmkeim ESBL in der | |
Klinik gestorben, weitere Babys erkrankten. „Viel mehr Mängel als hier kann | |
man nicht mehr finden“, sagte Popp hinterher dem parlamentarischen | |
Untersuchungsausschuss. „Bei der Summe der Defizite kann man von | |
Fahrlässigkeit sprechen.“ Dem Klinikmanagement attestierte er damals | |
„totales Organisationsverschulden“. | |
Im vorliegenden Fall beklagt Funkes Anwalt Lovis Wambach „zahlreiche | |
Verstöße gegen medizinische Facharztstandards“ im Klinikum Links der Weser. | |
Er spricht aber nicht nur von acht Verletzungshandlungen in acht Monaten | |
und einer Behandlung mit Medikamenten „zweiter Wahl“. Sondern auch von | |
einem Angriff auf die Menschenwürde und die Freiheit der Person: Funke sei | |
isoliert worden und habe „zahlreiche Lebensbeeinträchtigungen“ hinnehmen | |
müssen, so Wambach. Angehörige durften ihn nur mit Kittel, Haube, | |
Mundschutz und Handschuhen besuchen. Er habe unter der „weitgehenden | |
Kontaktlosigkeit sehr gelitten“, schreibt der Anwalt. Der Vorwurf, Funke | |
sei zum „bloßen Objekt“ herabgestuft worden, „entbehrt jeder Grundlage�… | |
antwortet Ralph Meyer im Hagen, der die Klinik vertritt. Im übrigen seien | |
Einzelzimmer für MRSA-Patienten „allgemein üblich und erforderlich“. | |
## Daten vorsätzlich manipuliert? | |
Aber da ist noch etwas: Als Franz Funke am 10. Mai um 9.51 Uhr in die | |
Klinik eingeliefert wird, wird ihm MRSA-Freiheit bescheinigt. Um 11.44 Uhr | |
ist der Befund positiv. Also war entweder das erste Testergebnis falsch – | |
davon geht der Gutachter aus. Oder der damals 91-jährige hat sich seinen | |
Krankenhauskeim innerhalb von nicht mal zwei Stunden eingefangen. Das | |
findet Wambach „außerordentlich unwahrscheinlich“. Er vermutet „eine | |
vorsätzliche Manipulation von Daten“. Der Anwalt der Gegenseite wiederum | |
glaubt, dass Funke sich seinen MRSA-Keim schon von zu Hause „mitbrachte“. | |
Der Sprecher des Klinikverbundes will sich auf Nachfrage „zunächst nicht | |
öffentlich zu dem Fall äußern“. | |
2012, als sich Franz Funke mit MRSA infiziert, werden in den kommunalen | |
Kliniken gerade die Hygiene-Standards verschärft, insbesondere im Umgang | |
mit Risikopatienten wie Funke. Der ist schon betagt, als er wegen einer | |
Oberschenkelhalsfraktur eingeliefert wird, Parkinson hat er auch. Das | |
Klinikum Links der Weser verweist in diesem Zusammenhang auf die „Bremer | |
Vereinbarungen“, die sogar über die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes | |
hinausgingen. Sie hätten „den Status einer Dienstanweisung“ und würden, so | |
ein Kliniksprecher, „natürlich“ durch Mitarbeiter der Krankenhaushygiene | |
und Vorgesetzte kontrolliert. | |
27 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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