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# taz.de -- Extremismusklausel für Sportler: Eine Einladung zur Heuchelei
> Nach dem Fall Drygalla wird diskutiert, die Sportförderung an ein
> Bekenntnis zum Grundgesetz zu koppeln. Bundesinnenminister Hans-Peter
> Friedrich ist dagegen.
Bild: Kampfrichter Mik Basi und Taekwondo-Kämpfer Sarah Stevenson sprechen de…
BERLIN taz | Wir wissen nicht, ob sie mit Füllfederhalter oder
Kugelschreiber unterschrieben hat. Was wir aber wissen, ist, dass Nadja
Drygalla mit ihrer Unterschrift auf dem Meldebogen des Deutschen
Sportbundes die Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)
anerkannt hat. Geholfen hat es nichts. Denn erst während der Spiele wurde
ihre Beziehung mit einem Nazikader zu einem Skandal.
Seit Dienstag wird nun darüber diskutiert, ob eine Extremismusklausel
helfen könnte, Athleten zu identifizieren, die Probleme mit der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben. Im Innenministerium
befasste man sich mit der Frage, ob die Förderung von Spitzensportlern und
Sportverbänden an die Bereitschaft gekoppelt werden soll, eine derartige
Klausel zu unterschreiben. Schließlich wäre der deutsche Spitzensport ohne
die Millionenbeträge des Staates international nicht konkurrenzfähig,
deutsche Olympioniken hätten keine Chance.
Allerdings hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erklärt, eine
solche Klausel nicht einführen zu wollen – reagierend auf die scharfe
Kritik an solchen Plänen zum Gesinnungs-TÜV. Und offenbar hörten die
Beamten seines Hauses auf das Naheliegende: Die Voraussetzung für die
Teilnahme an Olympischen Spielen ist ohnehin die Zustimmung zur olympischen
Charta, in der die olympischen Prinzipien und Regeln festgelegt sind.
Die Durchführungsbestimmungen für die Eröffnungsfeier sind in ihr ebenso
enthalten wie das Dopingverbot. Die Charta müssen alle Teilnehmer der
Spiele, Athleten, Trainer, Funktionäre und Journalisten anerkennen.
Seit der Bestechungsaffäre um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002
an Salt Lake City gehört zu ihr auch ein Verhaltenskodex, dessen Einhaltung
von einer Ethikkommission überwacht wird. Darin aufgelistet sind Regeln für
Bewerberstädte und IOC-Mitglieder wie Verhaltensmaßgaben für die Sportler.
Der olympische Eid, der zur Eröffnung der Spiele jeweils von einem aktivem
Sportler und einem Kampfrichter abgelegt wird, ist dagegen ein
unverbindliches rituelles Bekenntnis, den Fairnessgedanken zu achten.
## Diskriminierung ist verboten
Der Ethikkodex erhebt den Schutz der Menschenwürde zur grundlegenden
Anforderung an die olympische Bewegung. Verboten sind Diskriminierungen
aufgrund von Rasse, Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, politischer
Einstellung und materiellem Status, ebenso wie körperliche oder sexuelle
Belästigung und Doping. Verstöße werden mit einem Ausschluss von den
Spielen geahndet.
Aus London mussten eine Griechin und ein Schweizer wegen rassistischer
Tweets abreisen. Paraskevi Papachristou hatte afrikanische Flüchtlinge in
Griechenland mit der sich ausbreitenden Moskitoplage in Verbindung
gebracht, Michel Morganella die südkoreanischen Fußballer als „Bande von
Mongos“ bezeichnet.
Ein offensichtlicher Verstoß gegen die Charta liegt im Fall Nadja Drygalla
nicht vor, denn rassistisch geäußert hat sich die Ruderin nicht. Ihre
Abreise von den Spielen erfolgte freiwillig und in Absprache mit dem
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Eine genauere Überprüfung des
Athletenumfelds sei nicht gewollt gewesen, wie DOSB-Generaldirektor Michael
Vesper erklärte. Vesper hatte nach Bekanntwerden der Liaison Drygallas mit
dem aktiven Neonazi Michael Fischer das Gespräch mit der Athletin gesucht
und ihr danach eine einwandfreie Gesinnung attestiert.
Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Viola von Cramon und Monika Lazar wiesen
in einer Erklärung darauf hin, dass der Ruderverband frühzeitig Kenntnis
von Drygallas Beziehung hatte. Nur in „klärenden Gesprächen mit der Ruderin
hätte die Möglichkeit bestanden, auf eine frühzeitige und tatsächlich
glaubwürdige Distanzierung der Sportlerin zur rechtsradikalen Szene
hinzuwirken“.
Grundsätzliche Kritik an einer Extremismusklausel kam vom Innenexperten der
SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann: „Das ist eine Einladung zur
Heuchelei bei all denen, die davon betroffen sein könnten.“ Oder, anders
gesagt: Wer wirklich etwas zu verbergen (gehabt) hätte, wäre für das Ticket
nach London nur zu gern bereit gewesen, die Unterschrift unter eine
Anti-Extremismus-Erklärung zu setzen.
8 Aug 2012
## AUTOREN
Erik Peter
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