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# taz.de -- Entmachtung des Militärrats in Ägypten: Generäle elegant beseiti…
> Der ägyptische Staatschef Mursi hat zwei einflussreiche Offiziere in den
> Ruhestand versetzt, die Macht des Militärrats beschnitten und einen
> liberalen Vizepräsidenten ernannt.
Bild: Applaus von der Straße: Tausende Ägypter feiern in der Nacht Präsident…
KAIRO taz | Ägyptens Präsident hat die Generäle in die Wüste geschickt. Für
das Land am Nil ist die politische Entmachtung der Militärführung das wohl
wichtigste Ereignis seit dem Sturz des alten Regimes - und kann gar nicht
überbewertet werden: Erstmals in der neueren Geschichte des Landes hat ein
ziviles Staatsoberhaupt offen eine Entscheidung gegen das Militär
getroffen.
Der gewählte Präsident Mohammed Mursi versetzte Verteidigungsminister
Mohammed al-Tantawi und Stabschef Sami Anan am Wochenende in den Ruhestand.
Der mutige Befreiungsschlag kam für die wohl meisten Ägypter überraschend,
denn bislang schienen diese beiden grauen Eminenzen die wahren und damit
unantastbaren Machthaber des Landes zu sein.
Mursi hat dabei geschickt agiert. Er hat ausgenutzt, dass nach dem Angriff
auf einen Posten der Armee im Sinai, bei dem 16 Gefreite ums Leben kamen,
in der Bevölkerung viele - für die Armee unangenehme - Fragen laut wurden.
Wie beispielsweise die Frage: Wo waren eigentlich die Offiziere? Die
nämlich hatten ihren Posten verlassen, um woanders auf feinere Art ihr
Ramadanfasten zu brechen.
Der Präsident hat es aber auch geschafft, die Armeeführung zu spalten. Die
Nachfolger der abgesetzten Militärführer - der neue Verteidigungsminister
Abdel Fattah al-Sisi und der neue Stabschef Sidqi Subhi - stammen aus dem
Obersten Militärrat, der sich nun selbst entmachtet hat. Denn die beiden
haben mit ihrer Ernennung auch ein wichtiges Zugeständnis gemacht: Sie
stimmten zu, dass sich der Präsident in einer Verfassungserklärung vom
Militärrat all jene exekutiven Befugnisse zurückholt, die sich der
Militärrat in einer von ihm verkündeten Übergangsverfassung zuvor gesichert
hatte.
## Einem Putsch beugt Mursi vor
Die entlassenen Generäle hat Mursi noch einmal hoch dekoriert, offiziell zu
seinen Beratern gemacht und damit weggelobt. Damit stellt er zweierlei
sicher: Die pensionierten Militärführer bleiben zunächst gerichtlich
unantastbar. Das ist wichtig, damit sie nicht den Widerstand der Armee
gegen ihre Entlassung organisieren und womöglich putschen. Außerdem dürfen
sie als Präsidialberater nur mit Genehmigung des Präsidenten ausreisen.
Damit sind spätere gerichtliche Schritte gegen sie möglich. Dass das
Militär seit der Entlassung nichts unternommen hat, spricht sehr für diese
elegante Taktik des Präsidenten.
Man kann das Ganze aus zweierlei Perspektive betrachten: Im Machtkampf
zwischen den Muslimbrüdern, denen Mursi entstammt, und den Generälen haben
die Muslimbrüder nun gewonnen. Es war aber auch ein Machtkampf zwischen den
gewählten und damit legitimierten Institutionen des obersten Staatschefs
und der nicht gewählten, intransparenten und nicht zur Rechenschaft zu
ziehenden Institution des Militärrats. Dass der Gewählte diesen für sich
entschieden hat, ist auch ein Sieg in der demokratischen Umwandlung des
Landes.
Gefährlich ist dabei freilich die Machtfülle, die der Präsident im Moment
innehat. Mursi hat die volle exekutive und legislative Macht. Er hat das
Recht, die verfassunggebende Versammlung neu aufzustellen, sollte die
bisherige nicht vorankommen. Wie verantwortungsvoll wird er mit diesem
politischen Monopol umgehen?
## Liberaler neuer Vizepräsident
Mursi braucht eine breite politische Unterstützung, die über seine eigene
Klientel, die konservativen Muslimbrüder, hinausreicht. Bedeutsam ist daher
die Ernennung Mahmud Mekkis zum neuen Vizepräsidenten: Der liberale Richter
war lange Zeit das Aushängeschild der Richter in ihrem Kampf für eine
unabhängige Justiz. Seine Ernennung stellt damit auch ein wichtiges Signal
in Richtung liberaler und linker Kreise dar.
Nachdem das Militär nun politisch ausgebootet ist, konzentriert sich die
gesamte Aufmerksamkeit des Landes auf das Schreiben einer neuen Verfassung.
Dafür wird es einen breiten gesellschaftlichen Konsens brauchen.
Dies ist die nächste große Herausforderung. Erst dann kann es Neuwahlen zu
einem Parlament geben. Und erst dann wäre die Gewaltenteilung und damit die
Basis für ein demokratisches Ägypten hergestellt. Der Weg bleibt steinig,
aber ein scheinbar unüberwindbarer Felsbrocken ist aus dem Weg geschafft.
Die Türkei hat drei Jahrzehnte gebraucht, um ihre Generäle aus der Politik
zu entfernen. Ägypten hat dafür hoffentlich nur 18 Monate benötigt.
13 Aug 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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