Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ägypten bekämpft Dschihadisten: Militäreinsatz auf dem Sinai
> Nach einem Angriff auf Kontrollposten wurden 20 Extremisten getötet. Die
> Halbinsel Sinai entgleitet zunehmend der Kontrolle durch die Regierung in
> Kairo.
Bild: Wiederholte Anschläge: Ägyptische Soldaten an der Grenze zu Israel.
KAIRO taz | Es war die größte ägyptische Militäroperation im Sinai seit dem
Oktoberkrieg 1973. Am Dienstag wurden 20 vermeintliche dschihadistische
Kämpfer von mehreren Militärhubschraubern aus in einer Ortschaft nahe der
Grenze zum Gazastreifen getötet. Laut Militärangaben und Augenzeugen
griffen kurz zuvor Bewaffnete mehrere Kontrollposten im Norden der
Halbinsel an.
„Wir sind erfolgreich in die Ortschaft Tuma eingedrungen und haben 20
Terroristen getötet sowie drei gepanzerte Fahrzeuge zerstört“, sagte ein
Militärangehöriger der Nachrichtenagentur Reuters. Die Militärhelikopter
schossen mehrere Raketen ab. Bodentruppen waren ebenfalls im Einsatz.
Bereits am Sonntag wurden bei einem Angriff an der ägyptisch-israelischen
Grenze 16 ägyptische Soldaten getötet. Eine Gruppe von 35 Angreifern
beschoss einen Grenzposten, stahl zwei gepanzerte Fahrzeuge und drang nach
Israel vor, wo sieben der Angreifer von israelischen Truppen getötet
wurden.
Ägyptens Präsident Mohammed Mursi versprach daraufhin, die Täter zu finden
und das Problem in den Griff zu kriegen. Nicht zuletzt seit der Revolution
im Februar 2011 hat sich die Sicherheitslage auf der Sinaihalbinsel
zunehmend verschlechtert. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sprach
von einem „Weckruf“ und forderte die ägyptische Regierung auf, dass Problem
aggressiver anzugehen.
## 28 Angriffe auf Grenzposten seit der Revolution
Der Angriff vom Dienstag erfolgte unter anderem in Rafah, der Grenzstadt
zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Einer der betroffenen Kontrollposten
wurde bereits 28-mal seit der Revolution angegriffen, meldete die
staatliche Nachrichtenagentur Mena. Das Innenministerium teilte mit, dass
drei Polizisten und ein Anwohner bei den Angriffen verletzt wurden.
„Ich verstehe nicht, wieso die Regierung nicht schon längst etwas gegen
dieses Problem unternommen hat“, erklärte Hamdy al-Azazy, ein
Menschenrechtsaktivist aus al-Arisch gegenüber der taz. „Die Aktivitäten
islamistischer Gruppen hier sind seit Langem bekannt.“
Nach den Angriffen kam es in al-Arisch, der wichtigsten Stadt in Nordsinai,
zu Massenprotesten. Die Menschen forderten vom Militär besseren Schutz. Bei
der Beerdigung der 16 am Sonntag getöteten Soldaten gab es ebenfalls
Proteste gegen Präsident Mohammed Mursi und seinen Premierminister Hisham
Kandil. Die aufgebrachte Menge bedrängte Kandil und machte die
Muslimbruderschaft für die Angriffe verantwortlich. Mursi blieb „aus
Sicherheitsgründen“ der Beerdigung fern.
Laut dem Camp-David-Abkommen von 1979, dem Friedensvertrag zwischen Ägypten
und Israel, ist der Sinai eine demilitarisierte Zone. Der Vertrag begrenzt
die Anzahl der Truppen, die Ägypten auf der Halbinsel stationieren darf.
## Israel stimmte größerer ägyptischer Militärpräsenz zu
Ägyptische Sicherheitskreise machen diese Regelung dafür verantwortlich,
dass der Sinai zunehmend der Regierungskontrolle entgleitet. Die
israelische Regierung weist im Gegenzug auf eine kürzlich vereinbarte
Erhöhung der erlaubten Truppenzahl hin und sagt, dass diese vom ägyptischen
Militär bisher nicht vollständig umgesetzt worden sei. Bereits seit Monaten
warnen Sicherheitsexperten, dass der Sinai zu einem Rückzugsort für
bewaffnete Gruppen wird.
„Hier im Sinai gibt es überall riesige Villen und in den Städten fahren
teure Autos umher“, sagt al-Azazy, der sich seit 2006 gegen
Menschenschmuggel kämpft. „Das Geld wird durch Menschen- und
Waffenschmuggel verdient.“ Laut Beobachtern arbeiten Schmuggler und
dschihadistische Gruppen zunehmend zusammen. Kriminell erwirtschaftete
Gelder werden für den Waffenkauf verwendet.
Al-Azazy sieht die Vernachlässigung des Sinai durch den Staat als eine der
Hauptursachen für das Problem. „Es gibt hier keine Investitionen und Jobs“,
so al-Azazy. „Wenn du hier ein Unternehmen gründen möchtest, macht dir die
Regierung Probleme. Der Jugend fehlen Perspektiven.“ Mit politischen
Initiativen, Entführungen von Touristen und Straßenblockaden haben
Beduinenstämme in der Vergangenheit versucht, auf das Problem hinzuweisen.
8 Aug 2012
## AUTOREN
Raphael Thelen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Entmachtung des Militärrats in Ägypten: Generäle elegant beseitigt
Der ägyptische Staatschef Mursi hat zwei einflussreiche Offiziere in den
Ruhestand versetzt, die Macht des Militärrats beschnitten und einen
liberalen Vizepräsidenten ernannt.
Kampf gegen Dschihadisten: Mursi gibt sich hart
In Ägypten melden die staatlichen Medien Erfolge im Kampf gegen die
Terrorgruppen im Nordsinai. Doch vor Ort herrschen Zweifel an den
Militäraktionen.
Kommentar Terror im Sinai: Der Westen als Terrorhelfer
Der Süden des Sinais ist ein Badeparadies, während im Norden Anschläge
stattfinden. Wer pauschal vom Sinai als Terrornest schreibt, gefährdet
Existenzen.
Experte über Lage auf dem Sinai: „Hamas will die Lage ruhig halten“
Nach den jüngsten Gewalttaten im Sinai fordert Professor Jakob
Bar-Siman-Tov eine engere Kooperation zwischen Israel und Ägypten.
Zumindest im Bereich der Nachrichtendienste.
Konflikt auf dem Sinai eskaliert: Mit der Luftwaffe gegen Dschihadisten
Die Lage im Grenzgebiet zwischen Ägypten und Israel droht zu eskalieren.
Militante Dschihadisten fordern das ägyptische Militär heraus. Das schlägt
nun zurück.
Streit nach Terrorangriff auf Grenzsoldaten: Anschlag spaltet Ägypten
Der gewaltsame Tod von 16 Soldaten lässt in Ägypten die Feindschaft
zwischen Militär und Islamisten neu aufflammen. Beim Begräbnis bewirft ein
Mob den Regierungschef mit Steinen.
Anschlag an Grenze von Ägypten und Israel: Terror im Dreiländereck
Nach dem Anschlag auf einen Grenzposten will die Regierung in Kairo
Terroristen auf dem Sinai jagen. Israel hatte mit einem solchen Angriff
gerechnet.
Kommentar Terrorangriff im Sinai: Den eigenen Sumpf trockenlegen
Die Muslimbrüder in Ägypten wollten einen geregelten Grenzverkehr mit Gaza
einrichten. Doch offenbar steht ihnen ein terroristischer Untergrund
entgegen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.