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# taz.de -- Griechenland wehrt sich gegen Rauswurf: Allein gegen Athen
> Deutschland stößt mit seinen Plänen für einen Euro-Austritt Griechenlands
> auf Widerstand. Linke fordert eine Sozialklausel für die Hilfsgelder.
Bild: „Menschenrettungsschirme“: Eine Soli-Aktion für Griechenland am 18. …
BRÜSSEL/BERLIN taz | Griechenland stemmt sich gegen den drohenden Rauswurf
aus dem Euro. Er gebe sein Ehrenwort, dass Deutschland seine Hilfskredite
von mehr als 100 Milliarden Euro zurückbekommen werde, sagte der
griechische Premier Antonis Samaras vor seinem möglicherweise
entscheidenden Besuch bei Kanzlerin Angela Merkel am Freitag in Berlin.
„Das garantiere ich persönlich“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Zugleich versprach Samaras, die Bürokratie in Griechenland abzubauen und
die gesamte Wirtschaftspolitik auf Wachstum umzustellen. Möglich sei dies
allerdings nur, wenn die Wirtschaft mehr „Luft zum Atmen“ erhalte. Konkret
fordert Samaras, die Sparvorgaben um zwei Jahre zu strecken. Statt wie
bisher geplant schon 2014 will die neue griechische Regierung das
Budgetdefizit erst 2016 auf 3 Prozent drücken.
Diese Forderung stieß bei der Bundesregierung auf wenig Gegenliebe. „Mehr
Zeit ist keine Lösung der Probleme“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble
(CDU) im Südwestrundfunk. Eine endgültige Entscheidung machte Schäuble
allerdings vom Votum der Troika abhängig. Der gemeinsame Prüfbericht von
Vertretern der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen
Währungsfonds wird im September erwartet.
SPD und Grüne können sich einen Aufschub hingegen vorstellen. „Wenn das
neue Konsolidierungsprogramm der Griechen plausibel und belastbar ist, wäre
es doch nicht besonders klug, wegen einer Verlängerung des Zahlungsziels
von zwölf Monaten alle Forderungen in den Wind zu schreiben“, sagte
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Berliner Zeitung. Auch
Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, die Erwartungen an Griechenland
müssten „realistisch und umsetzbar“ sein.
## Geld für ein „Anti-Armuts-Programm“
Sehr viel weitergehender sind die Forderungen der Linkspartei. Deren
Vorsitzender Bernd Riexinger forderte eine Sozialklausel für die
Hilfsgelder. „Drei von vier Euro sind bisher direkt an die Banken
gegangen“, sagte er der taz. „Künftig dürfen Gelder nur zweckgebunden
fließen, ein großer Teil muss für Anti-Armuts-Programme reserviert sein.“
In Griechenland grassierten schon jetzt „Kinderarmut, Hunger und
Obdachlosigkeit“, so Riexinger.
„Wenn sich die Lage zuspitzt, braucht Griechenland Nothilfe zur Versorgung
mit Nahrungsmitteln und Medikamenten.“ Laut einer Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei sind seit Mai 2010 aus den
beiden Hilfsprogrammen für Griechenland 147 Milliarden Euro für
Griechenland freigegeben worden. Davon flossen 72,3 Prozent in den Zins-
und Schuldendienst.
Rückendeckung bekam Samaras von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. „Ich
bin absolut dagegen, dass Griechenland aus der Eurozone austritt“, sagte er
nach einem Besuch in Athen. Er sei die ständige Debatte über einen „Grexit�…
leid. Diejenigen, die einen Austritt fordern, sollten „den Mund halten“ –
offenbar eine Anspielung auf Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), der
an Griechenland „ein Exempel statuieren“ will.
Juncker forderte die Griechen auf, ihre „letzte Chance“ zu nutzen und bei
Privatisierungen mehr Dampf zu machen. Sollten die von Brüssel diktierten
Reformen zügig umgesetzt werden, könne man auch über einen Aufschub bei den
Sparplänen reden.
Eine ähnliche Position vertritt Frankreichs Staatspräsident François
Hollande, der sich Donnerstagabend mit Merkel traf, um über Griechenland zu
reden. Ein Austritt Athens aus dem Euro hätte „neue, verhängnisvolle
Auswirkungen auf die Eurozone“, sagte Hollande vor seinem Besuch in Berlin.
Auch EU-Experten in Brüssel fürchten, ein Rauswurf könnte andere
Krisenländer wie Spanien und Italien in den Abgrund reißen. Aus Brüsseler
Sicht muss daher zunächst geklärt werden, ob und wie die Europäische
Zentralbank diese Länder stützen kann.
Entscheidungen sollen erst beim EU-Gipfel im Oktober fallen. Im September
will die internationale Troika erneut nach Griechenland reisen, um die
Umsetzung der Spar- und Reformauflagen zu prüfen. Auf der Grundlage des
Troika-Berichts wollen die Eurochefs dann über das weitere Vorgehen
beraten. Neben Deutschland bereitet sich bisher nur Finnland auf einen
Austritt Griechenlands vor. Alle anderen Länder warten ab.
Und das aus gutem Grund: Selbst bei einem negativen Votum der Troika wäre
ein „Grexit“ nicht sicher. Zwar kann Deutschland den Griechen den Geldhahn
zudrehen, doch zum Austritt aus dem Euro kann das Land nach EU-Recht nicht
gezwungen werden. Theoretisch könnte sich Athen für zahlungsunfähig
erklären, aber Mitglied der Währungsunion bleiben. Diese Option wäre nach
Schätzung des Münchener Ifo-Instituts für Deutschland sogar noch teurer als
der Austritt.
23 Aug 2012
## AUTOREN
E. Bonse
M. Kreutzfeldt
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