| # taz.de -- Griechisches Gesundheitssystem: Streiken statt operieren | |
| > Das marode Gesundheitssystem bringt die Menschen in Rage. Ärzte | |
| > protestieren gegen Hungerlöhne, Rentner für Medikamente auf | |
| > Krankenschein. | |
| Bild: Wollen ihre Rezepte einlösen: Wütende Rentner demonstrieren vor dem Ath… | |
| ATHEN taz | Der Gewerkschaftsführer der griechischen Krankenhausärzte, | |
| Dimitris Varnavas, war außer sich. „Früher war die Rede davon, dass unsere | |
| Bezüge um 8 Prozent gekürzt würden. Heute heißt es, wir müssen sogar | |
| Einbußen von bis zu 18 Prozent hinnehmen. Nein, das akzeptieren wir nicht“, | |
| sagte Varnavas am Donnerstag im griechischen Fernsehen und drohte mit | |
| Streiks und Protestaktionen in naher Zukunft. | |
| Was die Ärzte noch vor sich haben, können Patienten schon lange: Am | |
| Dienstag stürmten wütende Rentner das Gesundheitsministerium und drangen | |
| bis ins Büro des Ministers vor, um gegen Kürzungen im Medikamentenbudget zu | |
| demonstrieren. | |
| Am Donnerstag versammelten sich aufgebrachte Rentner vor der Zentrale des | |
| größten Versicherungsträgers EOPPY in Thessaloniki und blockierten den | |
| Büroeingang mit einer ungewöhnlichen Aktion: In einem Riesentopf kochten | |
| sie Polentabrei mit Olivenölresten – das typische „Arme-Leute-Essen“ zur | |
| Zeit der deutschen Besatzung in Griechenland, als Hunderttausende | |
| verhungerten. „Die Regierenden werfen uns um siebzig Jahre zurück“, | |
| erklärte dazu ein Mann vor der Kamera. | |
| Der Grund für die Wut der Rentner: Obwohl sie krankenversichert sind, | |
| bekommen sie keine Medikamente auf Krankenschein. Die Apotheker verweisen | |
| auf offene Rechnungen der Kassen in Milliardenhöhe und verlangen von den | |
| Rentnern Vorkasse für lebenswichtige Medikamente. Millionen Menschen in | |
| Griechenland, die mit ein paar hundert Euro im Monat auskommen müssen, | |
| empfinden dies als Zumutung. | |
| ## Warten auf die nächste Überweisung | |
| Der stellvertretende Gesundheitsminister Marios Salmas versucht die Wogen | |
| zu glätten: „Die Regierung ist neu im Amt und braucht eine Bedenkzeit von | |
| zwei Monaten, um die nötigen politischen Entscheidungen zu treffen“, | |
| erklärt Salmas, der selbst Medizinprofessor ist und sich mit der Materie | |
| bestens auskennt. | |
| Doch welche „politischen Entscheidungen“ sind nötig? Offenbar wartet die | |
| Regierung auf die Überweisung der nächsten Milliarden-Tranche aus dem | |
| Rettungspaket, damit sie die Schulden gegenüber Gesundheitskassen und | |
| Apothekerverbände zumindest zum Teil begleichen kann, munkelt man in Athen. | |
| Doch es ist fraglich, ob die Apotheker diese Geduld aufbringen, zumal sie | |
| das Gefühl haben, dass die Regierung einzelne Apothekerverbände | |
| gegeneinander ausspielen will. So wurde am Donnerstag bekannt, dass die | |
| Apotheker in der Hafenstadt Piräus für Medikamentenlieferungen in der | |
| ersten Junihälfte 2012 bereits bezahlt wurden, anders als ihren Kollegen im | |
| Rest des Landes. | |
| Zudem versucht die Regierung auf Gegenangriff zu schalten und lässt sogar | |
| andeuten, dass zumindest ein Teil der Protestwelle im Gesundheitsbereich | |
| auf organisierte Interessen zurückgeht, die ihre Privilegien mit aller | |
| Macht verteidigen. | |
| ## Rückgriff auf Generika | |
| Für Aufregung sorgte vor allem die Vizegesundheitsministerin Foteini | |
| Skopouli mit der Behauptung, allein im Juli habe der größte | |
| Versicherungsträger EOPPY 2 Millionen Euro für Lebertran eines bestimmten | |
| Pharmakonzerns bezahlen müssen. Würde EOPPY stattdessen auf | |
| Generika-Medikamente ausweichen, hätte EOPPY seine Ausgaben für Lebertran | |
| auf nur 100 Euro gekürzt, so die Ministerin. | |
| Nach einem im März verabschiedeten Gesetz sind Apotheker verpflichtet, | |
| Patienten nach Möglichkeit mit Generika zu versorgen. Doch das Gesetz stößt | |
| auf den Widerstand der Apotheker, die um ihre Gewinnmargen fürchten. Auch | |
| die Pharmaindustrie warnt vor „Gefahren für die Gesundheit der Menschen“. | |
| Unterdessen kämpft der Gesundheitsminister an immer mehr Fronten: In einem | |
| der größten öffentlichen Krankenhäuser der Stadt Thessaloniki treten Ärzte | |
| und Krankenpfleger ab dem heutigen Freitag in den Streik und fordern Lohn | |
| für Bereitschaftsdienste und Überstunden der letzten sechs Monate. | |
| Am Donnerstag stürmten Ärzte das Leitungsbüro der Klinik, um auf ihr | |
| Anliegen aufmerksam zu machen. „Das Krankenhaus wird nicht ausreichend | |
| finanziert, einzelne Abteilungen müssen schließen“, warnt der | |
| Ärztevertreter Thanassis Soulis und fügt hinzu: „Es kommt einem Wunder | |
| gleich, dass noch kein Mensch ums Leben gekommen ist.“ | |
| 6 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Papadimitriou | |
| ## TAGS | |
| Griechenland | |
| Spanien | |
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