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# taz.de -- Griechischer Premier in Berlin: Zwei Welten in der Krise
> Beim Staatsbesuch des griechischen Premierministers Samaras zeigt sich
> Angela Merkel gleich doppelt hart: gegen den Gast und ihre eigenen Leute.
Bild: Militärische Ehren oder Drohkulisse? – Angela Merkel und Antonis Samar…
BERLIN taz | Es würde kein einfaches Treffen, das war beiden Seiten klar,
als der griechische Premierminister Antonis Samaras am Freitagmittag zum
Staatsbesuch bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eintraf. Denn die beiden
leben derzeit in unterschiedlichen Welten, deren Erwartungen sich diametral
widersprechen.
In Griechenland, wo die Regierung Mindestlöhne, Renten und Arbeitslosengeld
bereits massiv gekürzt, Steuern erhöht und tausende Stellen gestrichen hat,
wächst die Wut über den Sparkurs – und über die Deutschen, die auf noch
härtere Einschnitte drängen. In Deutschland hingegen, das für einen großen
Teil der Hilfskredite an Griechenland bürgt, wächst angesichts weiterhin
schlechter Zahlen aus Griechenland die Ungeduld – und der Unwille, den
vermeintlich reformunfähigen Griechen weitere Zugeständnisse zu machen.
„Diese zwei unterschiedlichen Wirklichkeiten müssen wieder zusammengeführt
werden“, sagte die Kanzlerin nach ihrem gut einstündigen Gespräch mit
Samaras. Sie selbst lese jeden Tag die griechische Presseschau, erklärte
die Kanzlerin, um die dortige Sicht zu verstehen. Um aber in der
Bevölkerung wieder mehr Verständnis füreinander zu bekommen, sieht Merkel
nur einen Weg, wie sie mehrfach betonte: „das Einhalten von Verpflichtungen
und Erwartungen“.
Was das für die Griechen bedeutet, ist aus Sicht der Kanzlerin klar: „Wir
erwarten, dass die Zusagen, die Griechenland gegeben hat, auch umgesetzt
werden, dass den Worten Taten folgen.“ Dem im Vorfeld von Samaras
geäußerten Wunsch, für die Reduzierung der griechischen Schuldenquote mehr
Zeit zu bekommen, erteilte Merkel dementsprechend eine stumme Absage – sie
ging auf das Thema einfach mit keinem Wort ein.
Aber auch ins Inland richtete die Kanzlerin eine klare Botschaft:
„Griechenland kann von Deutschland erwarten, dass wir keine vorschnellen
Urteile fällen“, sagte sie. Damit dürften ihre eigenen Koalitionspartner
gemeint sein. FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler versucht seit
Monaten, mit einem harten Kurs und Äußerungen über einen möglichen
Euro-Austritt Griechenlands zu punkten.
## Troika berichtet im Oktober
Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) will an Griechenland „ein
Exempel statuieren, dass die Eurozone Zähne zeigen kann“. Und unmittelbar
vor dem Samaras-Besuch hatte der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, im
Fernsehen erklärt, ein Austritt Griechenlands wäre „für den Euro kein
Problem“. Passend dazu kam auch die Nachricht, das Finanzministerium
bereite sich bereits auf entsprechende Szenarien vor.
Solchen Spekulationen erteilte Merkel eine klare Absage. „Ich möchte, dass
Griechenland Teil der Eurozone bleibt“, sagte sie. Aussagen darüber, ob und
zu welchen Konditionen das gelinge, seien erst möglich, wenn der Bericht
der sogenannten Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem
Währungsfonds vorliegt; er wird für Oktober erwartet.
Weil dieser Bericht vermutlich viel Raum für politische Interpretationen
lassen wird, gab Samaras schon mal seine Sichtweise bekannt, dass es mehr
um den Trend als um komplett erreichte Ziele geht: „Ich bin überzeugt, dass
der Bericht der Troika signalisieren wird, dass die neue
Koalitionsregierung in Griechenland sehr bald zu Ergebnissen führt.“ Nur
indirekt wiederholte Samaras den Wunsch nach einer Verschiebung des
Defizitziels: „Wir werden Ergebnisse erzielen“, sagte er. „Aber wir
brauchen auch Luft zum Atmen.“
Klare Worte fand der griechische Premier gegen die Austritts-Spekulationen
deutscher Politiker: „Solch toxische Äußerungen können nur negativ sein“,
sagte Samaras. Und zwar nicht nur für die Stimmung in der Bevölkerung,
sondern auch für die Versuche, die Krise zu lösen. Wie von der EU
gefordert, versuche sein Land gerade, Staatsbetriebe zu privatisieren.
„Doch wie soll das gelingen“, fragte Samaras, „wenn ein Investor nicht
weiß, ob er jetzt Euros investiert und später Drachmen bekommt.“ Die Kluft
zwischen den zwei Welten, das war am Ende des Kurzbesuchs klar, bleibt
groß.
24 Aug 2012
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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