Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gutachten zum Betreuungsgeld: Dreimal verfassungswidrig
> Noch ein Gutachten attestiert dem Betreuungsgeld, verfassungswidrig zu
> sein. Es verstoße gegen die Betreuungsfreiheit und behindere die
> Gleichstellung.
Bild: Selbst betreuen oder Kita? Für viele Eltern besteht die Wahl nicht.
BERLIN taz | Das geplante Betreuungsgeld verstößt gegen drei Artikel des
Grundgesetzes. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des
Rechtswissenschaftlers Joachim Wieland von der Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer. Das Gutachten, das am Dienstag
vorgestellt wurde, hatte die SPD-Fraktion im Bundestag in Auftrag gegeben.
Es ist bereits das dritte Gutachten, das dem Betreuungsgeld
Verfassungswidrigkeit bescheinigt.
Laut Gutachten missachtet die „Herdprämie“ sowohl die sogenannte
Betreuungsfreiheit von Eltern (Art. 6 Abs. 1 GG), den allgemeinen
Gleichheitssatz (Art. 3. Abs. 1 GG) als auch die Gleichstellung von Frau
und Mann (Art. 3 Abs. 2 GG). Oder einfach ausgedrückt: Erst wenn es
genügend Kita-Plätze gebe, sagte Wieland, könnten Eltern tatsächlich
wählen, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder nicht.
Und: Der finanzielle Zuschuss stelle einen Vorteil gegenüber jenen Eltern
dar, die eine Kita nutzen. Wer nicht ins Theater oder in die Bibliothek
gehe, bekomme dafür auch kein Geld. Darüber hinaus sei das Betreuungsgeld
ein Anreiz für Frauen, für die Kinderbetreuung ihre Berufstätigkeit zu
unterbrechen. „Das verstärkt die gesellschaftliche Rollenverteilung
zwischen Männern und Frauen“, sagte Wieland, „das ist keine
Gleichstellung.“
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung und die Opposition lehnen das
Betreuungsgeld ab. Auch die FDP ist dagegen, selbst Teile der Union.
Dennoch hat sich der Bundestag im Juni in erster Lesung mit dem
Gesetzentwurf befasst. Im September soll das Gesetz beschlossen und danach
im Bundesrat behandelt werden. „Die parlamentarische Mehrheit ist erpresst
worden durch Bayern und ihren Landeschef Seehofer“, sagte
SPD-Vizefraktionschefin Dagmar Ziegler.
Elf Bundesländer haben sich bereits gegen das Betreuungsgeld gestellt,
Hamburg will notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Argument:
Die Situation mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten werde durch das
Betreuungsgeld nicht besser. „Im Gegenteil, es manifestiert sie“, sagte
Brigitte Zypries, Justiziarin der Fraktion und frühere
SPD-Justizministerin.
Momentan sucht die SPD für eine Verfassungsklage nach Bündnispartnern.
Allein kann die Fraktion nicht klagen, das kann nur eine Gruppe von
mindestens einem Viertel aller Bundestagsabgeordneten. Mit großer
Wahrscheinlichkeit kann die SPD dabei mit den Stimmen der Grünen und der
Linkspartei rechnen. Die Klage kann außerdem erst eingereicht werden, wenn
das Gesetz in Kraft ist.
28 Aug 2012
## AUTOREN
Simone Schmollack
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Betreuungsgeld: Schwarz-gelbe Spielchen
Beim neuerlichen Streit um die Herdprämie spielen Inhalte keine Rolle mehr.
Dabei hätte gerade die FDP einiges an Verhandlungsmasse.
Koalitionskrach um Betreuungsgeld: Die FDP blockiert Unions-Vorschlag
Die schwarz-gelbe Koalition streitet weiter um das Betreuungsgeld. Die FDP
lehnen die Unionspläne ab. Die Koalition soll aber nicht vor dem Bruch
stehen.
Psychologin zum Betreuungsgeld: „Kleinkinder werden überrollt“
Viele Eltern wollen ihr Kind erstmal gern zu Hause behalten.
Bindungsforscherin Karin Grossmann hat Verständnis. Die Krippen seien oft
zu schlecht.
Betreuungsgeld in Schweden: Umstrittene kommunale Leistung
In Deutschland gibt es Streit um das geplante Betreuungsgeld, in Schweden
wird es längst ausgezahlt. Die Reaktionen darauf sind gemischt.
Streitthema Kinderbetreuung: Milliarden, ziellos verstreut
Studien belegen den wirtschaftlich Schaden, den das Betreuungsgeld in sich
birgt. Die einzigen Fans sind Frau Schröder und Herr Seehofer.
Streit um Betreuungsgeld: Minister von SPD und Grünen dagegen
Die elf Landesminister für Familie von SPD und Grünen haben sich gegen das
Betreuungsgeld ausgesprochen. Mit dabei sind Sozialdemokraten, die in
großen Koalitionen regieren.
Betreuungsgeld nicht für alle: Krabbeln allein zu Haus
Wer mit seinem Kleinkind in einen Spielkreis geht, riskiert das
Betreuungsgeld gestrichen zu bekommen. Dabei ist egal, ob es sich nur um
wenige Stunden pro Woche handelt.
Bundestagsdebatte zum Betreuungsgeld: Erste Lesung im zweiten Anlauf
Diesmal hat es geklappt: Beim zweiten Versuch waren genügend Abgeordnete
da, um über das Betreuungsgeld zu diskutieren. Und diskutiert wurde heftig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.