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# taz.de -- Reaktionen auf Karlsruher Entscheidung: Friede, Freude, ESM
> Regierung, Opposition, Kläger, Beklagte – irgendwie scheinen mit der
> Entscheidung zum ESM in Berlin alle zufrieden zu sein. Selbst die Kritik
> im Bundestag bleibt zahnlos.
Bild: Der lecker ESM-Rettungsschirm kann kommen.
BERLIN taz | Von manchen Wahlabenden ist das Phänomen gut bekannt: Jeder
interpretiert das Ergebnis ein bisschen anders, aber irgendwie haben alle
gewonnen. So ähnlich ist die Stimmung am Mittwochmorgen im Berliner
Reichstagsgebäude.
Noch bevor die Generaldebatte im Plenum beginnt, drängen sich die Spitzen
aller Parteien in der Lobby vor die Kameras, um ihre Interpretation der
Entscheidung aus Karlsruhe über ESM und Fiskalpakt in die Welt zu setzen.
Und die fällt erstaunlich einheitlich aus.
„Dies ist ein guter Tag für Europa“, sagt FDP-Chef Philipp Rösler. „Eine
gute Nachricht für Europa und Deutschland“, sieht der SPD-Vorsitzende
Sigmar Gabriel in der Entscheidung. „Ein schöner Tag für Parlamentarier,
gerade der Opposition“, pflichtet Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bei.
Und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fällt in ihrer Rede im Bundestag
kurz darauf kein originellerer Einstieg ein: „Das ist ein guter Tag für
Deutschland und ein guter Tag für Europa.“
Die Einigkeit der Spitzen von SPD und Grünen mit der Regierung verwundert
kaum - schließlich hatten die beiden Oppositionsfraktionen ESM und
Fiskalpakt schon bei der Verabschiedung überwiegend zugestimmt.
Erstaunlicher scheint, dass auch die Kritiker dieser Instrumente mit der
Entscheidung zufrieden sind.
„Wir haben eine völkerrechtlich verbindliche Haftungsgrenze und mehr
Transparenz durchgesetzt“, jubelt Gregor Gysi, Vorsitzender der
Linksfraktion, die zu den Klägern in Karlsruhe gehörte. „Eigentlich müssten
Sie alle sagen: Danke, liebe Linke“, sagt er an die Adresse der anderen
Parteien.
Auch FDP-Mann Frank Schäffler, bekannt als strikter Gegner des Eurokurses
der Regierung, sieht sich durch die Entscheidung bestätigt: Dem ESM seien
durch die Auflagen des Gerichts „die Zähne gezogen“, schrieb er im
Kurznachrichtendienst Twitter.
Angesichts der großen Einigkeit in Sachen ESM-Entscheidung bleibt die
Debatte im Bundestag zu diesem Thema dann auch dementsprechend blutleer.
Die entspannt wirkende Kanzlerin sieht die Entscheidung als Bestätigung für
die Europapolitik der Regierung, die sie in gewohnt technokratischer Art
begründet.
Einen großen Teil ihrer Rede widmet Merkel dann aber anderen Themen, von
Bildung über Energiewende zum Haushalt - wo sie sogar ungewohnt emotional
wurde und sich „erschüttert und traurig“ über falsche Darstellungen der
Opposition zeigte.
Deren Rednerinnen und Redner greifen die Vorlage gern auf und konzentrieren
sich ebenfalls auf andere Themen als die ESM-Entscheidung. SPD, Grüne und
Linke versuchen gleichermaßen, der Regierung die Schuld dafür zu geben,
dass die Europäische Zentralbank (EZB) künftig unbegrenzt Staatsanleihen
kauft.
Das gilt zwar als effektives Mittel gegen die Krise gilt, ist aber in
Deutschland wenig populär. Durch die Verweigerung anderer effektiver
Maßnahmen trage Merkel dafür die Verantwortung, schimpfen Steinmeier, Gysi
und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast übereinstimmend.
Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der aktuellen ESM-Entscheidung
aus Karlsruhe und dem EZB-Beschluss von vergangener Woche zieht aber keiner
der Hauptredner im Parlament. Dabei liegt auf der Hand, dass die allgemein
bejubelte Obergrenze für den ESM kaum relevant werden wird, weil ein großer
Teil der Stützungskäufe von Staatsanleihen nun direkt von der Zentralbank
abgewickelt wird. Und weitere Beschränkungen für den ESM werden dazu
führen, dass die EZB umso mehr aktiv werden muss - so dass es durch die
Entscheidung am Ende nicht mehr, sondern weniger Kontrolle geben könnte.
Es blieb Kritikern wie dem CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosbach vorbehalten,
den allgemeinen Jubel über die Entscheidung zu relativieren. Die darin
festgeschriebene Haftungsobergrenze sei „nur scheinbar beruhigend“, sagte
er am Rande der Bundestagssitzung.
„Darüber hinaus haften wir ja auch mit unseren deutschen Anteilen bei den
Ankäufen der Europäischen Zentralbank von Staatsanleihen der
Krisenstaaten.“ Aus der Währungsunion sei längst eine Haftungsunion
geworden. Auch aus der Linkspartei gibt es Widerspruch gegen Gysis positive
Deutung die Entscheidung, etwa durch Sevin Dagdelen, die darin einen
„Schlag gegen die parlamentarische Demokratie sieht“.
Im Plenum sind solche Worte hingegen nicht zu hören. Dort bleibt es bei
allgemeiner Zufriedenheit. Der Wahlkampf, das scheint nach der Debatte
klar, dürfte sich auf andere Themenfelder konzentrieren als die
Europolitik.
12 Sep 2012
## AUTOREN
Malte Kreuzfeldt
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