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# taz.de -- Riskante Nanotechnologie: Winzig klein, aber mit großer Wirkung
> Die bis zu 100 Nanometer großen Materialien sollen ganz neue
> Eigenschaften haben. Ob sie aber gesundheitlich unbedenklich sind,
> darüber ist oftmals nur wenig bekannt.
Bild: Nur im Elektronenmikroskop sichtbar: Ein winziges Nanoteilchen aus Nickel…
BERLIN taz | Nanomaterialien erobern derzeit viele Anwendungsbereiche, von
Medizin und Kosmetik über Produktion und Verkehrstechnik bis hin zu
Lebensmitteln und Textilien. Diese winzigen Teilchen mit Abmessungen von
nur bis zu 100 Nanometern können aufgrund ihrer Größe ganz neue
Eigenschaften haben.
Auf der Luftfahrtausstellung ILA in Berlin wird zum Beispiel in dieser
Woche von Fraunhofer-Forschern eine neue Flügelheizung aus Nano-Partikeln
vorgestellt. Die Nanoteilchen werden dem Werkstoff der Tragflächen
beigemischt, was eine elektrisch leitfähige Schicht erzeugt, die mittels
Hitze den Flügel vor Vereisung schützen soll.
Viele Versprechen ranken sich um die Nanotechnologie: bessere Produkte,
effizientere Prozesse, neuester Hit ist die ökologische Nachhaltigkeit.
Unter dem Stichwort „Green Nano“ sollen die Energieeffizienz und
Ressourcensparsamkeit der „Zwergen-Stoffe“ (Nano: griech. Zwerg) propagiert
werden.
Gleichwohl: Wie bei vielen neuen Entwicklungen liegt auch über der
Nanotechnologie der Schleier der nicht ausreichend bewiesenen
Unbedenklichkeit, vor allem für Mensch und Natur. Auch in Deutschland wird
nach Meinung von Experten zu wenig in die Nano-Risikoforschung investiert.
Ein zweiter Defizitbereich ist die mangelhafte Deklaration von
Nano-Produkten.
Bereits vor einem Jahr hatte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)
auf die Wissenslücke bei Nano-Wirkungen hingewiesen.
Anlass zur Besorgnis sah das Gremium in einem Gutachten für das
Bundesumweltministerium „bei der Verwendung von Nanomaterialien in
verbrauchernahen Sprays, der zunehmenden Vermarktung von
Nanosilber-Produkten und der Herstellung und Weiterverarbeitung von
Kohlenstoff-Nanoröhren, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein“.
Neben der Wirkungsforschung sei auch eine schnelle Regulierung der neuen
Stoffklasse nötig, notfalls in einem eigenen Chemikalien-Gesetz.
## Es fehlt eine Strategie
Seitdem ist allerdings nicht viel passiert, wie Wolf-Michael Catenhusen
moniert, der die Nano-Kommission im Auftrag der Bundesregierung leitete,
die im Februar 2011 ihren Abschlussbericht vorlegte. „Von unseren
Vorschlägen wurden zwar einige aufgegriffen, aber es fehlt auf
Regierungsebene weiterhin an einer ressortübergreifenden Strategie im
Nano-Bereich“, erklärt der frühere SPD-Staatssekretär im
Forschungsministerium.
Bei den Themen Nanosilber und Carbon-Nano-Tubes (CNT) sei zwar die
Forschung verstärkt worden. Insgesamt gebe die Bundesregierung von ihren
Fördermitteln für die Nanotechnik aber nur 6 Prozent für die
Risikoforschung aus. Genau genommen – unter Einbeziehung der Grundmittel
für die Institute – seien es nur 3 Prozent von 382 Millionen Euro (im Jahr
2009). Empfohlen werden 10 Prozent.
„Auf dem Zukunftsfeld der Green Nanotech passiert in Deutschland überhaupt
nichts“, kritisiert Catenhusen. „USA und Großbritannien hängen uns da ab.…
Bei der Regulierung setzen die Franzosen die Standards.
## Nanosilber und Resistenzen
Den Sachstand des Wissens bei der Verwendung von Nanosilber versammelte
Anfang des Jahres das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin.
Das Edelmetall wird wegen seiner antimikrobiellen Wirkung in Textilien
eingesetzt, um den Schweißgeruch zu reduzieren. Inzwischen gibt es den
Verdacht, dass auf diese Weise Resistenzen gegen das Edelmetall wie gegen
Antibiotika generell gefördert werden könnten.
„Über das mögliche gesundheitsschädigende Potenzial von Nanosilber wissen
wir immer noch zu wenig und können daher das gesundheitliche Risiko für den
Verbraucher derzeit nicht wissenschaftlich fundiert abschätzen“, sagt
BfR-Präsident Andreas Hensel.
Auch der Verdacht, die Nano-Kohlefasern könnten sich als epidemisches
Gesundheitsrisiko wie seinerzeit die Asbestfasern entpuppen, ist
wissenschaftlich noch ungeklärt. „Wir können noch nicht sagen, wie der
Körper damit fertig wird“, ergänzt Gaby-Fleur Böl, Leiterin der
Risikokommunikation am BfR. „Es ist nach wie vor offen, ob es zu einem
Problem werden kann.“
## Offizielles Produktregister fehlt
Somit wächst die Eigenverantwortung des Verbrauchers, mit Nano-Produkten
kritisch umzugehen. Allerdings fehlt – durch Uneinigkeit der Regierung und
Widerstand der Industrie – in Deutschland noch immer ein
Nano-Produktregister, das anführt, in welchen Waren welche Nanomaterialien
in welchen Mengen verarbeitet sind.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat daher eine
eigene Datenbank ([1][nanowatch.de]) erstellt, die bislang 200
Nano-Produkte und ihre Hersteller auflistet.
„Die Webseite wird gut frequentiert und jetzt auf rund 1.000 Produkte
erweitert“, erklärt BUND-Expertin Patricia Cameron, die auch der
Nano-Kommission angehörte. In einigen Fällen teilten Hersteller den
Umweltschützern freiwillig mit, dass sie künftig auf Nano-Komponenten
verzichten werden. Die Nano-Liste des BUND soll auch als mobile App
verfügbar sein, um auf dem Smartphone den Warencheck gleich im Supermarkt
machen zu können.
## Ein Bürgerportal
Mittlerweile hat auch das Bundesforschungsministerium die Forderung der
Nano-Kommission nach einer allgemeinverständlichen Informationsplattform
aufgegriffen. Die Webseite [2][www.nanopartikel.info] – gestaltet vom
Chemieverband Dechema und der Karlsruher Uni KIT – will die Funktion eines
Bürgerportals für die Nanotechnologie wahrnehmen.
Auch das BfR, das schon 2007 eine erste „Bürgerkonferenz Nanotechnologien“
veranstaltet hatte, will neben der Forschung auch die Verbraucher stärker
in die Entwicklung der neuen Technologie einbeziehen.
„Wir planen weitere Bürgerkonferenzen, auch auf europäischer Ebene“,
berichtet BfR-Expertin Böl. Die Ergebnisse einer neuen Volksbefragung des
Instituts werden in Kürze vorgestellt. Der Tenor: Die Risiken der
Nanotechnik werden in der Bevölkerung eher hoch, der reale Nutzen dagegen
gering eingeschätzt.
16 Sep 2012
## LINKS
[1] http://nanowatch.de
[2] http://www.nanopartikel.info
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Lebensmittel
EU-Richtlinien
Hacker
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