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# taz.de -- Arzneimittelgesetz und Tierhaltung: Aigners zahnlose Antibiotika-Re…
> Die Regierung will den Antibiotikaverbrauch bei Tieren in einer Datenbank
> erfassen. Das System kann leicht überlistet werden.
Bild: Gesunde Hühner, frisch auf den Tisch – dank Antibiotika.
BERLIN taz | Weniger Antibiotika in der Tierhaltung – dieses Ziel soll nach
Aussage des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Änderung des
Arzneimittelgesetzes erreichen, die das Kabinett am Mittwoch verabschiedet
hat.
Kern der Novelle ist eine bundesweite Datenbank, in der der Einsatz von
Antibiotika in der Tierhaltung erfasst werden soll. Damit sollen die
Kontrollbehörden der Bundesländer in der Lage sein, die
Behandlungshäufigkeit verschiedener Betriebe zu vergleichen – und
gegebenenfalls Maßnahmen verlangen, um den Einsatz von Antibiotika zu
reduzieren. Zum Beispiel eine bessere Hygiene, um Krankheiten vorzubeugen.
Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung steht vor allem deshalb in
der Kritik, weil er letztlich zu Resistenzen bei Menschen führen kann.
Sogar die industriefreundliche Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) veröffentlichte im vergangenen Jahr eine
[1][Studie], die die Gefahr bestätigte.
Eine [2][Untersuchung] des Verbraucherschutzministeriums in
Nordrhein-Westfalen kam zu dem Schluss, dass gut 92 Prozent aller dort
gemästeten Hähnchen Antibiotika bekommen. In der Zucht waren es immer noch
83 Prozent.
## Tierärzte verbrauchen 1.734 Tonnen Antibiotika
Reinhild Benning, Agrarexpertin des Umweltverbandes BUND, vermisst in der
Gesetzesnovelle daher vor allem ein konkretes Ziel zur Senkung des
Antibiotikaverbrauchs. Sie fordert: „Bis 2015 muss der Einsatz mindestens
halbiert werden.“ Im vergangenen Jahr lag der Verbrauch bei bis zu 1.734
Tonnen. Diese Menge sei an Tierärzte verkauft worden, so das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vergangene Woche in einer
erstmals vorgelegten Erhebung.
Auch die geplante Datenbank stößt bei Benning auf Kritik. Zwar sei es
grundsätzlich richtig, den Einsatz von Antibiotika zu überwachen. Jedoch
werde lediglich die Häufigkeit erfasst, mit der die Medikamente verabreicht
werden, nicht aber die Dosis. „Wer hoch dosierte Produkte gibt, kommt in
der Datenbank besser weg“, kritisiert Benning.
## Manipulation der Therapiehäufigkeit
Der Präsident des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte, Hans-Joachim
Götz, nennt in einem Reuters-Interview ein weiteres Schlupfloch: Neuere
Wirkstoffe müssten seltener angewendet werden als ältere. „Da habe ich ganz
schnell die Therapiehäufigkeit manipuliert.“
Während der Bauernverband „bürokratische Auflagen“ für die Tierhalter
befürchtet, bezeichnet der Tierschutzbund die Vorlage als „mangelhaft“. �…
geht nicht um eine Medikamentenfrage, sondern um eine Systemfrage“, sagt
Verbandspräsident Thomas Schröder.
Notwendig seien Veränderungen hin zu kleineren Tierbeständen, weniger
dichter und artgerechter Haltung. Damit würden Stress und die Anfälligkeit
für Krankheiten reduziert. Angehen müsse man auch das Problem, dass
Antibiotika immer noch prophylaktisch verabreicht würden.
Hier widerspricht Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Es gebe
bereits Gesetze, die den präventiven Einsatz von Antibiotika verbieten
würden. Benning relativiert: „Der Tierarzt hat einen ganz weitreichenden
Spielraum beim Verschreiben.“ Nachzuweisen sei ein präventiver Einsatz
nicht.
19 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/110802a.htm
[2] http://www.umwelt.nrw.de/verbraucherschutz/pdf/antibiotika_masthaehnchen_ab…
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Antibiotika
Landwirtschaft
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