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# taz.de -- Drohende Krise bei Antibiotika: Eine Wunderwaffe wird stumpf
> Antibiotika haben Millionen Leben gerettet. Aber nun versagen so viele
> der Medikamente gegen Krankheitserreger wie noch nie. Was tun?
Bild: Zu viele, zu oft: Antibiotika.
Lungenentzündung und kein Medikament da, das hilft - dieses Horrorszenario
könnte Realität werden. Allein in Deutschland, schätzt das
Bundesministerium für Gesundheit, sterben jedes Jahr etwa 15.000 Menschen
an Infektionen mit multiresistenten Bakterien: Keime, die nur noch schwer
tot zu kriegen sind.
Denn sie haben nicht nur gegen eine, sondern gleich gegen mehrere
verschiedene Antibiotika Abwehrstrategien entwickelt. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO warnt: „Die Resistenz gegen vorhandene
Antibiotika hat beispiellose Ausmaße erreicht.“
Einst galten Antibiotika als Wundermittel, die selbst tödliche Krankheiten,
von Bakterien verursacht, besiegten. Die Erfolgsgeschichte des Medikaments
begann im Jahr 1941, als Wissenschaftler zum ersten Mal den
Antibiotika-Wirkstoff Penicillin einem Menschen gaben.
Schon 1928 hatte der schottische Bakteriologe Alexander Fleming den Stoff
zufällig entdeckt. Fleming sah, dass ein Schimmelpilz, Penicillium notatum,
einen bakterientötenden Stoff produzierte, und nannte ihn Penicillin. Im
Jahr 1945 bekam Fleming für die Entdeckung den Medizin-Nobelpreis. Doch
schon bei seiner Nobelpreis-Rede warnte der Wissenschaftler: Es könnte der
Tag kommen, an dem Bakterien resistent gegen Penicillin werden.
Schon wenige Jahre nach der Einführung von Penicillin als Medikament waren
einige Bakterien damit nicht mehr tot zu kriegen. Über die Jahre tauchten
immer mehr resistente Bakterien auf, denen verschiedene Antibiotika nichts
anhaben konnten. Heute werden in Deutschland vor allem der multiresistente
Keim MRSA, aber auch multiresistente Erreger, die Tuberkulose oder
Lungenentzündungen auslösen, mehr und mehr zum Problem. Und gerade ist in
Jena bei 14 Frühgeborenen ein gegen Antibiotika resistenter Darmkeim
nachgewiesen worden.
Der Grund: Antibiotika wird zu großflächig eingesetzt, nicht nur in der
Tierzucht. Auch Ärzte gehen zu locker mit dem Mittel um. Bis zu fünfzig
Prozent aller Antibiotika, schätzt die angesehene
Paul-Ehrlich-Gesellschaft, verschreiben Mediziner völlig unnötig.
## Nicht lohnend für die Pharmafirmen
Durch diese falsche Anwendung konnten Bakterien aufrüsten, immer mehr
resistente Stämme entwickelten sich. Hinzu kommt, dass auch die Zulassungen
neuer Antibiotika in den letzten Jahren stetig zurück gingen – das Geschäft
mit Antibiotika ist für Pharmafirmen nicht lohnend genug.
In Freiburg schult die Ärztin und Apothekerin Katja de With Mediziner und
Apotheker aus ganz Deutschland darin, Antibiotika richtig zu verschreiben.
Die 44-Jährige leitet das Antibiotic Stewardship, eine Art
Antibiotika-Crashkurs – das Einzige dieser Art in Deutschland. „Wir
verordnen in Deutschland viel zu viel Antibiotika“, sagt de With.
Die Forscherin Julia Bandow sucht in Bochum nach neuen
Antibiotika-Wirkstoffen. Sie fordert, dass die Zulassungsbedingungen für
neue Antibiotika erleichtert werden. „Wir brauchen viele, verschiedene
Antibiotika, die auf unterschiedliche Arten die Bakterien angreifen“, sagt
die 36-Jährige. Ihr fehle die Dringlichkeit in der Diskussion um das
Problem mit multiresistenten Keimen. „Im Grunde geht es hier um einen
Krieg, Mensch gegen Bakterium“, sagt sie. „Und den müssen wir gewinnen,
wenn wir überleben wollen.“
Die Ganze Geschichte von der Entdeckung der Antibiotika bis zu den beiden
Frauen, die gegen das Versagen des Wundermittels kämpfen, so wie viele
andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom [1][9./10. Juni 2012].
Am Kiosk, eKiosk oder gleich im [2][Wochenendabo]. Und für Fans und
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9 Jun 2012
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## AUTOREN
Maria Rossbauer
## TAGS
Antibiotika
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