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# taz.de -- Angeblich mehr Akademikerkinder: Schröders Traum vom Kinde
> Eine Politikerin wollte eine schöne Meldung: Hurra, die studierten Frauen
> kriegen wieder mehr Kinder. Nur leider lässt sich das so einfach gar
> nicht sagen.
Bild: Akademikerin bei der frühkindlichen Bildung: Nein, der Klapperstorch bri…
Da hatte die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Idee.
Das kann so nicht weitergehen, befand sie. Andauernd vermeldet das
Statistische Bundesamt in Wiesbaden, dass die Frauen in Deutschland schon
wieder weniger Kinder bekommen. Trotz Schröder und ihrer Familienpolitik!
Bevor also die Bundesamts-Statistiker am Donnerstag ihre Hiobsbotschaft
raushauten – weniger Kinder –, platzierte die Ministerin tags zuvor eine
viel bessere, viel neuere Nachricht. Sie sollte den Donnerstag quasi
überstrahlen. Nämlich: Die studierten deutschen Frauen bekommen wieder mehr
Kinder. Die studierten, wohlgemerkt.
Man achte auf den Unterschied: Zwar sank die Geburtenziffer 2012 wieder auf
1,36 Kinder pro Frau (von 1,39 im Jahr 2010). Aber das Ergebnis der Studie,
die Schröder beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Auftrag
gegeben hatte, lautete eindeutig: Die Akademikerinnen jedenfalls sind aus
dem Tief heraus. Die als besonders gebärfeindlich bekannten
Hochschulabsolventinnen-West haben die Talsohle durchschritten.
Denn, so ermittelte Bevölkerungsforscher Martin Bujard: Eine
durchschnittliche Akademikerin über 34 Jahren bekam noch 2005 im Lauf ihres
Lebens nur 1,24 Kinder. Im Jahr 2011 lag dieser Wert bei 1,34 Kindern. Das
ist ein klarer Anstieg, der einem mehrjährigen Trend entsprach, behauptete
Bujard und folgerte, der Geburtenrückgang bei den studierten West-Frauen
(die Ost-Akademikerinnen sind seit je gebärfreudiger) sei gestoppt.
## Kind ist nicht gleich Kind
Prompt verkündete Kristina Schröder, dass insbesondere das Elterngeld
wirke, das Berufstätige rund ein Jahr lang als staatliche
Lohnersatzleistung bekommen, um das Verdienstloch nach der Geburt zu
füllen. Schließlich – das sagen SPD- wie Grünen- und Unions-PolitikerInnen
nur nie so deutlich dazu – war das Elterngeld 2007 eigens eingeführt
worden, um den Anteil der Akademikerkinder gegenüber den weniger akademisch
geborenen Kindern zu erhöhen. Dem Staat ist halt nicht jedes Kind gleich
viel wert.
Das Problem an dieser Art demografischer Politik ist freilich: Die Zahlen
sind allzu schwach. Denn für sein optimistisch-nützliches Ergebnis hat
Bujard die Zahlen des Mikrozensus verwendet. Der Mikrozensus ist eine
zweijährliche repräsentative Befragung der Haushalte, eine kleine
Volkszählung. Der Mikrozensus erhebt aber seit je nur die Kinder pro
Haushalt, nicht aber die von einer Frau insgesamt geborenen Kinder.
Ausgezogene Kinder, grad bei Oma urlaubende Kinder oder sonst wie abwesende
werden nicht erfasst. Auch die noch nicht geborenen.
Dass sich auf solch dünner Datenbasis kaum Aussagen über Kinderhaben und
Kinderlosigkeit fällen lassen, wurde vor Jahren erkannt. Doch die Mühlen
der Statistiker mahlen langsam, eine Korrektur des Mikrozensus fiel mau
aus. Und erst der im kommenden Jahr veröffentlichte Mikrozensus von 2012
wird die Frage nach den tatsächlich geborenen Kindern pro Frau ordentlich
erheben.
## Warten auf 2028
Bis dahin aber wird die Gemeinde der Demografie-Interessierten abwarten
müssen. Denn nach wie vor ist die Neigung zur späten Geburt nicht
ausreichend statistisch erfasst. Wir wissen noch nicht, ob all die neuen
Spätgebärerinnen auch mit 43 noch ein zweites Kind bekommen oder ob es bei
einem bleibt.
Das heißt: Ob sich am Gebärverhalten der akademischen Frauen durch Politik
oder Wirtschaft aktuell etwas ändert – sei es dank Elterngeld, sei es dank
Wirtschaftsboom oder dank neuer männlicher Neigung zum Wäscheaufhängen –,
ist erst ermittelbar, wenn die 1970er-Jahrgänge mit Kinderkriegen fertig
sind. Im Jahr 2028 ungefähr. Nur nützt das alles Kristina Schröder
natürlich nichts mehr.
20 Sep 2012
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Verfassungsgericht
Familie
Familienpolitik
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