# taz.de -- Studie zu deutscher Familienpolitik: Zeit ist Kind | |
> Drei Jahre haben Forscher die niedrigen deutschen Geburtenraten | |
> untersucht. Nun schlagen sie vor, wie es zu mehr Kindern kommen könnte. | |
Bild: Kinder bedeuten Geld- und Zeiteinbußen für die Eltern, sagen die Forsch… | |
BERLIN taz | „Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder sind | |
familienpolitische Aspekte nur ein Faktor unter vielen“, betonte Katharina | |
Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Zwischen | |
Familienpolitik und Geburtenrate bestehe „kein monokausaler Zusammenhang“. | |
Die Politik könne aber sehr wohl Rahmenbedingungen schaffen, um das | |
Wohlbefinden von Familien auf lange Sicht zu fördern. | |
Die Professorin für Bildungsökonomie gehört zu den Autorinnen einer Studie | |
zum demografischen Wandel, die von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe | |
[1][„Zukunft mit Kindern – Fertilität und gesellschaftliche Entwicklung“] | |
der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nationalen | |
Akademie der Wissenschaften Leopoldina am Montag in Berlin vorgelegt wurde. | |
Für die Studie hatten die Wissenschaftler drei Jahre lang Ursachen der | |
niedrigen Geburtenzahlen in Deutschland, Österreich und der Schweiz | |
analysiert. Gerade Deutschland liegt bei der Geburtenrate im | |
internationalen Vergleich ganz weit hinten: Pro 1.000 Einwohner werden | |
hierzulande nur noch acht Kinder geboren, hat jüngst das Statistische | |
Bundesamt ermittelt. | |
Zeit sei ein ganz wichtiger Faktor, um sich für oder gegen ein Kind zu | |
entscheiden, haben die Wissenschaftler festgestellt. „Eltern, die sich für | |
ein Kind entscheiden, haben nicht nur finanzielle Einbußen hinzunehmen. | |
Sondern sie können in vielen Fällen nicht mehr teilnehmen am | |
gesellschaftlichen, am sozialen Leben“, drückt es Günter Stock, der | |
Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und | |
Sprecher der Arbeitsgruppe, am Montag aus. | |
Während der „Rushhour des Lebens“, die im zweiten Drittel die Biografie der | |
meisten Menschen bestimme, wollten Karriere, Privatleben und Familie unter | |
einen Hut gebracht werden – das sei eine Aufgabe, der sich viele Menschen | |
heute nicht gewachsen fühlten, stimmte ihm der Familienwissenschaftler Hans | |
Bertram zu. Arbeitgeber seien deshalb gefordert, neue Arbeitszeitmodelle | |
anzubieten. | |
## Grundsicherung für Kinder | |
Auch eine „transparente, unbürokratische und verlässliche“ Grundsicherung | |
für Kinder könnte helfen, der sinkenden Geburtenrate in Deutschland | |
entgegenzuwirken. Zusammen mit mehr Betreuungsangeboten für Kinder würde | |
eine solche finanzielle Leistung vielen Paaren mit Kinderwunsch | |
entgegenkommen, sagte Stock. Konkret schlagen die Autoren der Studie einen | |
öffentlich geförderten Familienzeitkredit vor, der Zeit für familiäre | |
Fürsorge und Pflege über den ganzen Lebenslauf garantiert. | |
Die Empfehlungen der Autoren betreffen auch Fragen der Sexualität und der | |
Reproduktionsmedizin. So raten die Autoren etwa dazu, Frauen durch gezielte | |
Aufklärung rechtzeitig auf die individuelle Entscheidung für ein Kind | |
vorzubereiten. Kinder und Jugendliche seien über die Zusammenhänge zwischen | |
Sexualität und Fruchtbarkeit nicht hinreichend informiert, haben die | |
Experten festgestellt. | |
Einige verbreitete Meinungen rund um das Kinderkriegen widerlegen die | |
Autoren explizit. So sei die Auffassung falsch, dass sich die Samenqualität | |
bei Männern in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert habe. | |
Auch die Annahme, Frauen könnten bis Anfang oder Mitte 40 problemlos | |
schwanger werden, sei eine Legende. Ab dem 35. Lebensjahr nehme die | |
Fruchtbarkeit der Frau deutlich ab. Da könne auch Reproduktionsmedizin | |
nicht mehr in jedem Fall helfen. Ebenfalls ein Mythos sei es, dass die | |
zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen automatisch zu sinkenden | |
Geburtenraten führen müsse. | |
16 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zukunft-mit-kindern.eu/ | |
## AUTOREN | |
F. Haack | |
D. Bax | |
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