# taz.de -- CDU-Programm zum Kinderkriegen: 5.000 Euro zum „Abkindern“ | |
> Die CDU in Sachsen-Anhalt möchten mit einem Ehekredit nach DDR-Vorbild | |
> das Kinderkriegen stimulieren. Das Geld sollen aber nur verheiratete Paar | |
> kriegen. | |
Bild: Am Saaleufer in Halle spielen nicht genügend Kinder, findet die CDU. | |
DRESDEN taz | Lustförderung, man mag staunen, ist auch Christdemokraten | |
nicht fremd. Die Lust zum Akt des Kindermachens an sich bedarf kaum der | |
Stimulanz, wohl aber die Lust auf die Konsequenz des Fleischlichen: „Mehr | |
Lust auf Familie“. Mit diesem Titel hat die CDU-Landtagsfraktion von | |
Sachsen-Anhalt ein Positionspapier überschrieben, das sie Ende der | |
vergangenen Woche vorstellte. | |
Früher hieß es noch: „Kinder kriegen die Leute sowieso“; mit diesem Satz | |
ging Uraltbundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) in die Geschichte der | |
Rentenversicherung ein. Doch diese Zeiten sind vorbei, heute muss man schon | |
einen kleinen materiellen Hebel ansetzen. Die CDU nennt ihn | |
„Familienstands-Darlehen“, in der DDR hieß er schlicht „Ehekredit“. | |
Junge frischverheiratete Ehepaare sollen demnach vom Land ein | |
einkommensunabhängiges zinsloses Darlehen von 5.000 Euro bekommen, Laufzeit | |
zehn Jahre. Wie in der DDR auch, kann dieser Kredit nach | |
Unionsvorstellungen „abgekindert“ werden. Für jedes in die Familie geborene | |
Kind wird ein Drittel der Tilgungssumme erlassen. Nach drei Kindern wäre | |
die Familie also wieder schuldenfrei. | |
„Wir möchten wieder mehr Mehrkinderfamilien im Land haben, daher möchten | |
wir vor allem junge Familien fördern“, erklärte CDU-Fraktionschef André | |
Schröder. Das Positionspapier umfasst eine Reihe weiterer | |
familienfreundlicher Maßnahmen: ein steuerliches Familiensplitting in | |
Weiterentwicklung des Ehegattensplittings, Ermäßigungen bei | |
Dienstleistungen oder die Förderung von Wohneigentum. | |
Das Familiendarlehen zielt sehr selektiv auf klassisch verheiratete Paare: | |
Geld gibt es nur mit Trauschein. Die Stabilität der Ehe will die CDU gleich | |
mit stimulieren, denn bei einer Scheidung ist das Darlehen futsch. Ebenso | |
bei „Republikflucht“, wenn das Paar das Familienparadies Sachsen-Anhalt | |
verlässt. | |
Diese Auswahlkriterien kritisiert die Opposition. Für die | |
Linken-Familienpolitikerin Monika Hohmann „verkennt die CDU die | |
Lebenswirklichkeit in Sachsen-Anhalt“. Jedes zweite Kind werde außerhalb | |
einer Ehe geboren, ein bundesweiter Trend. Leer gingen außerdem Eltern aus, | |
die dem Trend zu immer späterer Familiengründung folgen. Denn laut dem | |
CDU-Plan soll es den Kredit nur bis zum 35. Lebensjahr geben. | |
## SPD-Minister findet das „amüsant“ | |
Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) ging auf Distanz zum | |
Koalitionspartner: „Es hat mich amüsiert, dass die CDU auf ein Programm aus | |
der DDR zurückgreift.“ Bei jährlich etwa 10.000 Eheschließungen in | |
Sachsen-Anhalt müsste das Land mit bis zu 2,5 Millionen Euro für die | |
Zinslast aufkommen. Bekämen alle diese Familien drei Kinder, müsste | |
Bullerjahn rund 50 Millionen Euro aus dem angespannten Haushalt locker | |
machen. | |
Sachsen-Anhalt ist besonders von Abwanderung und Geburtenrückgang | |
betroffen. Wurden auf seinem heutigen Territorium in den achtziger Jahren | |
noch etwa 40.000 Kinder jährlich geboren, sind es heute noch rund 17.000. | |
Aber bei der Kinderbetreuung gilt das Land als vorbildlich und will einen | |
Rechtsanspruch auf Betreuung vom ersten Lebensjahr an einführen. | |
Das Nachbarland Thüringen hatte 2008 mit seiner damaligen | |
CDU-Alleinregierung gleichfalls einen Ehekredit nach DDR-Muster angeregt. | |
Das Vorhaben scheiterte, weil Hartz-IV-Empfänger benachteiligt würden. Sie | |
müssten die zusätzliche Einnahme mit den staatlichen Sicherungsleistungen | |
verrechnen. CDU-Fraktionschef Schröder räumt ein, dass für diese | |
Personengruppe gesonderte Festlegungen getroffen werden müssten. „Die | |
Diskussion beginnt erst“, sagte er der taz. Eine Verankerung sei frühestens | |
für das Haushaltsjahr 2014 möglich. | |
27 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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