# taz.de -- Christine Lieberknecht über Familienpolitik: „Das hat etwas von … | |
> Viele CDU-Politiker wollen kein Betreuungsgeld für Eltern. Doch | |
> Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht ist dafür: Die Debatte hält | |
> sie für emotional und überhitzt. | |
Bild: „Jeder soll mit seinem Familienmodell glücklich werden“, sagt Christ… | |
taz: Frau Lieberknecht, in Thüringen gibt es das umstrittene Betreuungsgeld | |
seit sechs Jahren. Warum sind Sie von diesem Instrument überzeugt? | |
Christine Lieberknecht: Das Betreuungsgeld stellt sicher, dass Eltern frei | |
wählen können. Jeder soll mit seinem Familienmodell glücklich werden. Die | |
Eltern, die ihr Kind früh in einen staatlich geförderten Kindergarten | |
schicken. Und eben auch die, die es im Alter von ein bis zwei Jahren lieber | |
zu Hause betreuen. Deshalb haben wir entschieden, diese persönliche | |
Leistung von Eltern anzuerkennen – mit dem Landeserziehungsgeld. | |
In Ihrer eigenen Partei würden viele das Betreuungsgeld am liebsten | |
beerdigen. | |
Den Kritikern in der CDU kann ich nur sagen: Das Betreuungsgeld hat ein | |
CDU-Parteitag beschlossen, es steht im Koalitionsvertrag. Und der Wille, es | |
einzuführen, wurde vom Koalitionsausschuss im November noch einmal | |
bekräftigt. Das Betreuungsgeld ist nicht über Nacht beschlossen worden, | |
niemand kann behaupten, es sei nicht diskutiert worden. Und Verabredungen | |
müssen gelten. | |
Alle sind sich einig, dass Kinder möglichst früh gute Bildungschancen | |
brauchen. Ist es da nicht verrückt, bildungsferne Familien für einen | |
Kita-Verzicht zu bezahlen? | |
Ich glaube nicht, dass das Betreuungsgeld Entscheidungen von Eltern | |
präjudiziert. | |
Untersuchungen in Thüringen haben gezeigt, dass der Anteil der zu Hause | |
betreuten Kinder nach der Einführung anstieg. | |
Dieser Anstieg war nur kurzfristig zu beobachten, dann haben sich die | |
Zahlen wieder eingependelt. Und in manchen städtischen Problemvierteln ist | |
sogar der Anteil der Kinder in Kitas gestiegen. Deshalb denke ich: Die | |
Statistiken belegen keine einfachen Zusammenhänge zwischen Betreuungsgeld | |
und Kita-Nutzung, die Kritiker anführen. | |
Gut belegt ist ein anderer Effekt: Frauen fällt der Wiedereinstieg ins | |
Berufsleben nach einer Kinderauszeit schwer. Ist es denn überhaupt noch | |
zeitgemäß, sie fürs Zuhausebleiben zu bezahlen? | |
Ja. Das Betreuungsgeld ist modern. Junge Frauen sind heutzutage | |
selbstbewusst genug, zu sagen: Ich nehme mir ganz bewusst Zeit für mein | |
Kind. Und ich bin gut genug, um den Wiedereinstieg in den Beruf zu | |
schaffen. Angesichts der demografischen Entwicklung können es sich | |
Unternehmen gar nicht leisten, auf diese Frauen zu verzichten. | |
Aber Politik kann sich doch nicht auf die Demografie verlassen. Sie muss | |
die richtigen Anreize geben. | |
Genau das tun wir. Eltern können am besten selbst bestimmen, was ihnen und | |
ihrem Kind guttut. Und, mal ganz nebenbei: Es geht ja nicht darum, dass wir | |
jahrelang das Zuhausebleiben subventionieren. Das Betreuungsgeld nutzt in | |
Thüringen ein sehr schmales Segment der Familien. Deshalb erstaunt mich | |
ehrlich gesagt auch die Aufregung über dieses Thema. | |
Sie könnte daher rühren, dass die Bundesregierung für mehrere Milliarden | |
Euro ein hochproblematisches Instrument einführen will. | |
Ich halte die Debatte für überhitzt. Als wir das Landeserziehungsgeld | |
einführten, haben wir waschkörbeweise Protestbriefe bekommen. Das hatte und | |
hat etwas von einem Kulturkampf. Es geht um Kinder, anscheinend kochen da | |
Emotionen besonders hoch. Doch jetzt ist es Zeit, Kritiker und Befürworter | |
zu versöhnen. Aus meiner Biografie heraus kann ich sagen … | |
… Sie sind in der DDR aufgewachsen … | |
… dass sich in der DDR eines gezeigt hat: Das Bildungssystem war vom Staat | |
organisiert, es gab eine Rundumbetreuung von der Wiege an. Doch für alle | |
Menschen blieb dennoch das Elternhaus prägend. Ohne Bindung gibt es keine | |
Bildung. Deshalb müssen wir die Eltern stärken, statt uns in ideologischen | |
Grabenkämpfen zu verstricken. | |
13 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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