| # taz.de -- Debatte um früheres Kinderkriegen: Ähhhh lieber doch nicht | |
| > Früh Kinder kriegen – Frauen sollen mal wieder die Welt retten. Dabei | |
| > sind nicht sie das Problem, sondern der Mann. Der benimmt sich häufig wie | |
| > ein weiteres Kind. | |
| Bild: Die Mutter unserer Kollegin Steffi Dobmeier (Foto) war 29, als sie diese … | |
| BERLIN taz | Frauen sollen mal wieder. Kinder kriegen. Am besten ganz früh, | |
| damit sie dem Arbeitsmarkt mit Mitte vierzig wieder voll zur Verfügung | |
| stehen. Damit es vielleicht doch noch was wird mit der Karriere. Damit sie | |
| überhaupt noch Nachwuchs in die Welt setzen. Der Spiegel hat das unlängst | |
| vorgeschlagen, sich dann selbst daran abgearbeitet – ebenso Zeit Online. | |
| Doch Timing ist nicht alles. | |
| Angenommen, eine Frau möchte ihre Kinder nicht mit zwanzig Jahren, sondern | |
| eher mit Mitte zwanzig bekommen – dann ist das Kind am vierzigsten | |
| Geburtstag nicht aus dem Haus, sondern mitten in der Pubertät. Und wenn es | |
| nicht das einzige Kind bleiben soll, die Geschwister entsprechend jünger. | |
| Studieren mit Kind ist durchaus eine Option, die besonders Eltern aus der | |
| Ex-DDR propagieren, aber der verschulte Bachelor macht das nicht leichter. | |
| Berufseinstieg oder Praktika, wenn das zweijährige Kind um vier Uhr aus der | |
| Kita geholt werden will, so es denn einen Kitaplatz hat, da kassiert man | |
| schon beim Bewerbungsgespräch eine Menge Absagen. | |
| Und im Job bleibt Eltern in Deutschland nichts anderes als eine | |
| Teilzeitstelle übrig, weil Arbeitszeiten nach 18 Uhr normal sind. Selbst in | |
| Unternehmen, die sich Familienfreundlichkeit propagieren, wird eine Chefin, | |
| die innerhalb der Kita-Öffnungszeiten kommt und geht, nicht ernst genommen. | |
| Und selbst wenn die Kinder bereits allein nach Hause kommen – Hausaufgaben | |
| sollen kontrolliert und das Essen gekocht werden. Die Frage, wer derweil | |
| die Familie ernährt, führt dann schnell wieder zum traditionellen | |
| Familienmodell und zu Frust sowohl beim Alleinversorger als auch bei der | |
| Zwangshausfrau. | |
| Die Unternehmenskultur muss sich endlich ändern – diesen Spruch kennen wir | |
| seit Jahren, aber seit Jahren passiert nichts. Was sich vor allem ändern | |
| muss, ist die Idee, das alles sei ein Frauenproblem. | |
| Lange Elternzeit, Karriereknick, Kinderlosigkeit – Frauen baden diese | |
| Probleme zwar aus, verursacht haben sie sie meistens nicht. | |
| ## Er schreibt ein Wickelbuch | |
| Nach wie vor sind die Väter vornehmlich an den Wochenenden auf dem | |
| Spielplatz zu finden, während von Montag bis Freitag wie vor fünfzig Jahren | |
| hauptsächlich die Muttis dort rumsitzen, wie es Elisabeth Badinter entsetzt | |
| in ihrem Buch „Der Konflikt“ beschreibt. | |
| Nur jeder fünfte Vater beantragt Elterngeld, kaum einer bleibt länger als | |
| zwei Monate zu Hause. Und wenn, dann schreiben sie darüber gleich ein | |
| Väter-Wickelbuch, während die Schwiegermutter babysittet. | |
| Denn wenn Männer sich schon ins finstere Hausfrauenreich vorgewagt haben, | |
| möchten sie für diese Großtat auch Anerkennung. Und wenn sich Frauen nun | |
| wünschen, dass es einfach normal ist, die Aufgaben zu Hause paritätisch | |
| aufzuteilen? Kein Lob statt dessen Gemecker, wenn mal was nicht so gut | |
| läuft. Da lassen es ihre Partner lieber gleich mit der Verantwortung. | |
| ## Doppelte Arbeit | |
| Gedacht war das alles mal anders: Frauen sollten von der männlichen | |
| Dominanz befreit und beruflich und familiär gleichberechtigt werden. | |
| Stattdessen arbeiten sie nun doppelt. | |
| Den Männern wird seit Jahren in Feuilleton und Büchern gesagt, sie seien im | |
| Zuge der Emanzipation verweichlicht. Manche mögen sich darüber noch | |
| aufregen, vielerorts wird dieses Image inzwischen dankbar angenommen. Es | |
| lebt sich so schön unverbindlich damit. | |
| Wenn eine Frau gleichberechtigt leben will, soll sie gefälligst auch die | |
| Last der Verantwortung übernehmen. „Du willst Kinder, aber auch arbeiten? | |
| Na nur zu … ich mach derweil mein Ding.“ | |
| ## Daddelnde Väter | |
| Frauen übernehmen immer häufiger die traditionellen Aufgaben der Männer. | |
| Sie gehen arbeiten und reparieren die Klospülung, während die Männer im | |
| Gegenzug sich nicht nur kein neues Aufgabenfeld erschließen, sondern | |
| regressiv mit der neuen Spielkonsole japanischer Produktion daddeln, die | |
| eigentlich den Kindern gehören sollte. | |
| Vielleicht ist das bei der so genannten Unterschicht anders. Aber da, wo | |
| die bürgerliche Mittelschicht zu Hause sind, suchen viel zu viele Männer | |
| permanent nach dem nächsten Kick und fühlen sich mit der Überprüfung der | |
| eigenen Befindlichkeiten vollkommen ausgelastet – keine guten | |
| Voraussetzungen für die Familiengründung. | |
| Eltern sein hat nichts mit Selbstverwirklichung zu tun. Dennoch sehen sich | |
| Frauen oft Männern – Schlüsselkette an der beuligen Jeans, gern ein | |
| Musikinstrument um den krummen Rücken gehängt, Resthaare in die Stirn | |
| gekämmt – gegenüber, die da stehen und sagen: „Sowohl, als auch, nö, ja, | |
| ähhh … lieber doch nicht.“ Das ist kein Partner, sondern ein weiteres Kind. | |
| ## Gestresster Hausdrache | |
| Die Folge: reihenweise Trennungen, denn dass die adrette Partnerin wegen | |
| Überforderung zum Hausdrachen mutiert, war nicht vorgesehen. Doch wie soll | |
| man denn dem biologischen Impuls, sich fortpflanzen zu wollen, nachgeben, | |
| wenn man ständig damit rechnen muss, ausgetauscht zu werden, und darauf | |
| angewiesen ist, selbst finanziell jeder Zeit abgesichert zu sein. Da will | |
| das Nestbau-Feeling nicht so richtig aufkommen. | |
| US-Forscher bestätigten dies, als sie untersuchten, warum Frauen heute | |
| unglücklicher sind als vor vierzig Jahren. Demnach arbeiten Männer | |
| heutzutage weniger und entspannen mehr als damals, während Frauen | |
| inzwischen von sich selbst verlangen, dem modernen Frauenbild entsprechend | |
| beruflich erfolgreich, schön und die perfekte Mutter zu sein – sie laufen | |
| in einem stetigen Stressmodus. | |
| Der Faktor Berufstätigkeit ist dazugekommen, die alten Strukturen sind | |
| geblieben. Es gibt nichts zu vereinbaren, nur zu addieren. | |
| Ja, es gibt auch Väter, die gern Zeit mit ihren Kindern verbringen, nicht | |
| nur, weil sie bei der Fifty-fifty-Regelung so gut wie keinen Unterhalt | |
| zahlen müssen. Die gern eine 30-Stunden-Woche hätten und für ihr krankes | |
| Kind zu Hause bleiben würden. | |
| ## Noch bestimmen die Männer | |
| Doch das wird nicht gern gesehen, Teilzeit geht für Männer in interessanten | |
| Jobs so gut wie gar nicht, und ein Jahr Elternzeit für Väter ist für Firma | |
| und Freunde häufig ein kleiner Skandal. | |
| Solange Frauen versuchen, sich einem Arbeitsmarkt anzupassen, der von | |
| Männern bestimmt ist, die selbst den Elternjob nicht machen wollen, sind | |
| die Chancen, dass demnächst in Deutschland mehr als 1,4 Kinder pro Frau im | |
| Durchschnitt geboren werden, gering. Hier muss sich tatsächlich etwas | |
| ändern – wo bleibt noch mal die Quote für Führungsposten? | |
| Einen Wunsch an die Adresse der Frauen gibt es dann doch noch, besonders an | |
| jene, die gern Texte darüber schreiben, wie andere Frauen leben sollten: | |
| Hört auf damit! | |
| 16 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Niemann | |
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