| # taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Ein würdiger Namensgeber | |
| > „Zwangsbeschneidung ist Unrecht“ - sagt die Giordano-Bruno-Stiftung. Nach | |
| > wem hat die sich eigentlich benannt? Nach einem rabiaten Antisemiten. | |
| In deutschen Großstädten kurven derzeit Autos mit einem großen Plakat | |
| herum, auf dem ein kindlicher Unterleib zu sehen ist, dessen Schritt von | |
| mitleidheischenden Patschhändchen bedeckt wird; ein Gesicht des Kindes ist | |
| nicht zu sehen. In großen Lettern steht auf dem Plakat: „Mein Körper gehört | |
| mir – Zwangsbeschneidung ist Unrecht – auch bei Jungen.“ | |
| Gerne würde man wissen, wie und mit welchen guten Worten die Initiatoren | |
| ein Kind dazu bekommen haben, sich so fotografieren zu lassen; ob es Eltern | |
| eines Kindes waren, die die Kampagne unterstützen, oder ob das Bild in | |
| Auftrag gegeben wurde. Aber das ist nebensächlich, interessanter ist es, | |
| sich mit den Initiatoren der fahrbaren Plakatwerbung auseinanderzusetzen. | |
| Die Giordano Bruno Stiftung versucht sich seit geraumer Zeit im Kampf gegen | |
| Religion hervorzutun, die für sie dasselbe wie Obskurantismus ist. Wer aber | |
| war Giordano Bruno, der Namensgeber der Stiftung? | |
| Der 1548 geborene Priester und Dominikanermönch war ein für die Renaissance | |
| typisches, mehrfach begabtes Genie auf den Gebieten der Astronomie, der | |
| Philosophie und der Dichtung. Er starb im Jahr 1600, nach einem Leben | |
| voller Unrast, Verbannung und Flucht, eines schrecklichen Todes. | |
| Philosophisch und theologisch entwarf Bruno einen in der Tradition der | |
| Antike, zumal des Neuplatonismus stehenden Pantheismus, womit er sich in | |
| erklärtem Gegensatz zur herrschenden katholischen, einen dreifaltigen, | |
| personalen Gott bekennenden Kirche befand. | |
| Die römische Inquisition wurde des Atheismus verdächtigten Philosophen | |
| schließlich habhaft und verbrannte ihn öffentlich in Rom. Erst vierhundert | |
| Jahre später, im Jahr 2000, ließ die Kurie durch eine ihrer | |
| Untergliederungen erklären, dass die Hinrichtung Unrecht war. Dem ist | |
| nichts hinzuzufügen. | |
| Leider war Giordano Bruno auch einer der rabiatesten Antisemiten seiner | |
| Zeit. Von christlichem Antijudaismus ist in seinem Fall schon deshalb nicht | |
| zu sprechen, weil er kein Christ war. In seinem in Form platonischer | |
| Dialoge gehaltenen Traktat „Die Vertreibung der triumphierenden Bestie“ aus | |
| dem Jahr 1584 unterhalten sich vermutlich allegorisch gemeinte olympische | |
| Götter, hier der Götterbote Merkur und die Göttin der Weisheit, Sophia, | |
| über Geiz, Klugheit, Gerechtigkeit und Religion. | |
| ## Juden und Sarazenen | |
| In einem Abschnitt des Gesprächs geht es, in jeder Hinsicht vernünftig, um | |
| die Verurteilung der Sippenhaft, der Bestrafung von Kindern für die Untaten | |
| ihrer Väter. Bruno aber lässt seine Göttin Sophia dazu sagen, dass dieser | |
| Brauch zuerst von den Juden geübt worden sei und fährt fort: „Die Juden | |
| sind eine so pestilenzialische, aussätzige und gemeingefährliche Rasse, | |
| dass sie schon vor ihrer Geburt ausgerottet zu werden verdienen.“ Später | |
| bezeichnet er die Juden als den „Auswurf“, „die Exkremente“ Ägyptens. | |
| Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass Bruno „Juden und Sarazenen“ an | |
| anderer Stelle in einem Atemzug nennt. | |
| Entsprechend wussten die modernen Antisemiten, was sie an diesem Vordenker | |
| des exterminatorischen Judenhasses hatten: Hitlers Stichwortgeber und | |
| Mentor Dietrich Eckart, dessen 1925 erschienenes Buch „Der Bolschewismus | |
| von Moses bis Lenin. Zwiegespräch zwischen Adolf Hitler und mir“ eine | |
| Blaupause für den Überfall auf die Sowjetunion und den Holocaust war, | |
| zitiert Hitlers lobende Worte über Bruno: „Der geniale Denker wurde | |
| verbrannt. Wegen seiner Irrlehren? Es wimmelte damals auch in Italien von | |
| Gegnern der Kirche; den sachlichsten griff man heraus.“ | |
| Der NS–Chefideologe Alfred Rosenberg, Verfasser des 1930 erschienenen | |
| „Mythus des 20. Jahrhunderts“, bekundete Bruno schon 1920 in einem Aufsatz | |
| seinen Respekt; vor allem aber widmete der intellektuelle Vordenker des | |
| modernen Antisemitismus, Paul de Lagarde, der Erschließung von Brunos Werk, | |
| dessen Denken er in mancher Hinsicht ablehnte, alle philologische | |
| Anstrengung. | |
| Die Gelehrten streiten sich bis heute, warum Bruno ein so glühender | |
| Judenhasser war, zumal zeitgenössische Philosophen wie Pico della Mirandola | |
| oder Marsilius Ficino ein positives Verhältnis zur jüdischen Kultur hatten. | |
| Am Zeitgeist kann es also nicht gelegen haben. Lag es an seiner Geburt im | |
| von fanatischen Spaniern beherrschten Königreich Neapel? Daran, dass er das | |
| Judentum als Ursprung des Christentums betrachtete? Oder daran, dass er die | |
| Juden mit antiken Autoren wie Tacitus für antisozial hielt? | |
| Das sind Fragen für weitere Forschung. Politisch bleibt festzustellen, dass | |
| die Giordano Bruno Stiftung ihrem Namensgeber alle Ehre macht. | |
| 2 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Micha Brumlik | |
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| Adorno | |
| Antisemitismus | |
| Micha Brumlik | |
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