# taz.de -- Gesetzentwurf zu Beschneidung: Was genau ist „ärztliche Kunst“? | |
> Die Bundesregierung will per Gesetz die Straffreiheit für die | |
> Beschneidung garantieren. Der Entwurf wird zwiespältig aufgenommen. | |
Bild: Schmerzfrei geht's wohl nicht: Der Berliner Urologe Aref El-Seweifi mit S… | |
BERLIN taz/dpa | Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollte Klarheit | |
und Gewissheit schaffen. In einem neuen familienrechtlichen Paragrafen des | |
BGB soll die Beschneidung von Jungen zukünftig geregelt sein. Die | |
Reaktionen auf den Entwurf fallen äußerst uneinheitlich aus. | |
Die Vertreter des jüdischen und muslimischen Glaubens lobten das Papier. | |
Charlotte Knobloch, frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in | |
Deutschland, sagte, der neue Paragraf § 1631d, der die Zirkumzision auch in | |
Zukunft straffrei belässt, sei wichtig und ausgewogen. Besonders die | |
Möglichkeit, die Ausführung einem Beauftragten der Religionsgemeinschaft zu | |
überlassen, sei im Interesse der jüdischen Gemeinde. | |
Laut Entwurf können so in Zukunft auch ausgebildete Beschneider, sogenannte | |
Mohalim, die Beschneidung durchführen – mit einer Einschränkung: die Kinder | |
müssen unter sechs Monate alt sein, bei älteren Kindern muss der Eingriff | |
von einem Arzt durchgeführt werden. Die Beschneidung muss zudem nach den | |
Regeln der ärztlichen Kunst geschehen. Ähnlich fiel die Reaktion der | |
muslimischen Gemeinde aus. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in | |
Deutschland begrüßte den Entwurf. | |
Was allerdings als „ärztliche Kunst“ gilt und was nicht, ist unklar. Zwar | |
heißt es in den Anmerkungen zu dem Gesetzesentwurf, es sei eine effektive | |
Schmerzbehandlung zu fordern. Dies sei im Einzelfall eine angemessene und | |
wirkungsvolle Betäubung. Es solle „möglichst Schmerzfreiheit“ gewährleis… | |
sein. Der Eingriff solle verboten sein, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. | |
## Es fehlen klare Bedingungen | |
Das aber ist Dag Schölper von der Männerlobby „Bundesforum Männer“ zu | |
ungenau: „Der Schutz der Jungen ist für uns viel zu kurz gekommen“, sagte | |
er der taz. Es sei erschreckend, wie über das Wohl der Jungen | |
hinweggegangen werde. | |
Auch Manfred Gahr, Generalsekretär der Akademie für Kinder- und | |
Jugendmedizin und Lehrbeauftragter am Uniklinikum Dresden, sieht den | |
Entwurf kritisch. Es fehle an klaren Bedingungen, die Raum, Hygiene und | |
Schmerzfreiheit bei einer Beschneidung regeln. Nur Ärzte dürfen in | |
Deutschland eine Narkose vornehmen. „Gerade bei den Jungen unter sechs | |
Monaten ist die Schmerzfreiheit zu ungenau gefasst. Ohne Narkose ist die | |
Beschneidung äußerst schmerzhaft“, sagte Gahr der taz. | |
Auch die Deutsche Kinderhilfe lehnt den Entwurf ab. „Es ist ein Irrglaube, | |
mit Zäpfchen oder einer Salbe diese erheblichen Schmerzen und ihre | |
Auswirkungen auf das Schmerzempfinden im späteren Leben lindern zu können“, | |
kritisierte der Vorstandschef Georg Ehrmann. Am kommenden Mittwoch will | |
sich das Kabinett mit Paragraf 1631d befassen. Anschließend soll er in den | |
Bundestag eingebracht werden. | |
4 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Wendt | |
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