Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechtslage von Beschneidungen: Juden und Muslime loben Justizminist…
> Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will nicht, dass die Beschneidung von
> Jungen strafbar ist. Die Zentralräte von Juden und Muslimen sind
> zufrieden.
Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Justizministerin.
FREIBURG taz | Juden und Muslime sind mit der Justizministerin zufrieden.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat ein Eckpunktepapier zur
rechtlichen Behandlung der Beschneidung von Jungen vorgelegt. Der Entwurf
gehe auf viele Wünsche der Juden in Deutschland ein, sagte Dieter Graumann,
Präsident des Zentralrats der Juden. „Das Ministerium verdient Respekt und
Anerkennung.“ Auch der Zentralrat der Muslime begrüßte das Papier, es trage
zur Rechtssicherheit bei, sagte Generalsekretär Nurhan Soykan.
Die Unsicherheit war durch ein Urteil des Landgerichts Köln vom Mai
ausgelöst worden. Dort hieß es, eine religiös motivierte Knabenbeschneidung
sei als Körperverletzung strafbar. Eltern könnten nicht im Namen des Kindes
in den Eingriff einwilligen, da er nicht dem Kindeswohl entspreche.
Auf dieses bisher singuläre Urteil soll der Gesetzgeber nun mit einer
Klarstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch reagieren. In den Regeln zum
elterlichen Sorgerecht soll ausdrücklich erklärt werden, dass Eltern das
Recht haben, „in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung“ ihres
männlichen Kindes einzuwilligen.
Dies würde die traditionelle Beschneidung von jüdischen und muslimischen
Knaben erfassen. Die Eltern müssen sie auch nicht religiös begründen, wie
dies in der Übergangsregelung im Land Berlin vorgesehen ist. Denn die
geplante bundesweite Regelung soll nicht auf religiös motivierte
Beschneidungen begrenzt sein.
Auch Eltern, die ihren Sohn aus medizinisch-hygienischen Gründen
beschneiden lassen, wie es in den USA oft geschieht, sollen sich nicht
strafbar machen. Das Ministerium verweist dazu auf eine Stellungnahme der
Amerikanischen Akademie der Kinderärzte. Danach überwögen die
gesundheitlichen Vorteile die Risiken. Deutsche Kinderärzte sehen das
überwiegend anders.
Die Eingriffe müssen aber, so das Ministerium, „nach den Regeln der
ärztlichen Kunst“ durchgeführt werden. Dazu gehörten die Einhaltung
hygienischer Standards und eine wirkungsvolle Schmerzbehandlung. Eine
örtliche Betäubung wird nicht gefordert. Außerdem müssen die Eltern
umfassend über den Eingriff aufgeklärt werden.
Die Beschneidung muss allerdings nicht zwingend ein Arzt ausführen. In den
ersten sechs Monaten nach der Geburt dürfen auch „von einer
Religionsgesellschaft dafür vorgesehene Personen“ Beschneidungen
durchführen. Das zielt auf jüdische Mohelim ab, die in der Berliner
Übergangsregelung zunächst ausgenommen waren. Vorausgesetzt wird aber, dass
traditionelle Beschneider dafür besonders ausgebildet wurden.
Eine Auffangklausel stellt sicher, dass Beschneidungen unzulässig sind,
wenn sie im Einzelfall dem Kindeswohl widersprechen. Gedacht ist hier vor
allem an ältere Kinder, die den Eingriff ablehnen. Damit geht das
Ministerium auf Bedenken des Deutschen Kinderschutzbundes ein. Wenn Kinder
die Beschneidung ablehnen, „dann sollte dieses Veto auch gelten“, sagte
Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes.
Mit dem Eckpunktepapier setzt das Ministerium einen Auftrag des Bundestags
vom Juli um. Länder und Verbände haben bis 1. Oktober Zeit zur
Stellungnahme.
26 Sep 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskussion um Beschneidung: Hoffnung auf breite Mehrheit
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hofft auf
Rechtssicherheit bei Beschneidungen. Der Ethikrat fordert möglichst klare
Vorgaben für die Prozedur.
Gesetzentwurf des Bundeskabinetts: Beschneidung wird legalisiert
Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Straffreiheit und
Rechtssicherheit für Beschneidungen vorsieht. Der Zentralrat der Juden ist
zufrieden.
Gesetzentwurf zu Beschneidung: Was genau ist „ärztliche Kunst“?
Die Bundesregierung will per Gesetz die Straffreiheit für die Beschneidung
garantieren. Der Entwurf wird zwiespältig aufgenommen.
Lob für Gesetzentwurf zur Beschneidung: „Der Staat muss neutral bleiben“
Wolfram Höfling, Mitglied des Deutschen Ethikrates, lobt den
Regierungsvorschlag zur Beschneidung. Das Gesetz soll am 10. Oktober durchs
Kabinett.
Beschneidung mit 18: Im Bett mit und ohne
In der Vorhautdebatte kam eine Frage zu kurz: Ändert sich der Sex, wenn sie
weg ist? Leider ja. Ein Erfahrungsbericht.
Rabbinerordination in Köln: „Versprochen ist versprochen“
Bei der ersten Rabbinerordniation in Köln seit dem Holocaust warnten viele
vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Auch Beschneidung wurde
thematisiert.
Legalisierung von Beschneidung: Erstmal reden
Kinderschützer sind gegen eine Legalisierung von Beschneidungen in den
nächsten zwei Jahren. Erst soll ein runder Tisch tagen.
Demo von Juden und Muslimen: Gemeinsam für Beschneidung
In Berlin demonstrieren Juden und Muslime für das Recht auf freie
Religionsausübung. Auch Wolfgang Thierse (SPD) solidarisiert sich.
Streitgespräch zur Beschneidung: Trauma oder Recht auf Identität?
Sergey Lagodinsky, Jude aus der Ex-Sowjetunion, und Raju Sharma,
Konfessionsloser mit indisch-deutschem Hintergrund, diskutieren über
Beschneidung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.