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# taz.de -- Demo von Juden und Muslimen: Gemeinsam für Beschneidung
> In Berlin demonstrieren Juden und Muslime für das Recht auf freie
> Religionsausübung. Auch Wolfgang Thierse (SPD) solidarisiert sich.
Bild: Entschlossenes und eindeutiges Statement: Plakat auf der Beschneidungsdem…
BERLIN taz | Es ist ein ungewöhnlicher Moment: Auf dem Bebelplatz in der
Berliner Mitte haben gestern jüdische und muslimische Organisation gegen
ein Beschneidungsverbot und für Religionsfreiheit demonstriert – nicht
getrennt, sondern gemeinsam. Rund 300 Personen sind dem Aufruf gefolgt.
Unter ihnen war auch Özgür Özata. „Es ist meine erste politische Rede, die
ich heute halte“, sagte der 35-jährige Muslim, der als Literaturagent in
Berlin arbeitet. Das Kölner Urteil, das Beschneidungen an Jungen als
Körperverletzung wertete, hat ihn erzürnt, ebenso wie viele Juden.
Levi Salomon, ein Jude, hatte Özata über Facebook gefragt, ob er nicht auch
ein paar Worte sprechen mag. Einen wirklichen Austausch zwischen beiden
Religionsgemeinschaften gebe es noch zu selten, so Özata. „Aber ich spüre
die Bereitschaft dazu.“
## Applaus für Entschlossenheit
Ihren Unmut über die Beschneidungsdebatte taten alle Redner kund. Der
orthodoxe Berliner Rabbiner Yitshak Ehrenberg hielt einen Brief des
Staatsanwaltes hoch, den er wegen seines Bekenntnisses zur Beschneidung
bekommen habe. „Wir machen weiter. Das ist der Grund für die Strafanzeige“,
so Ehrenberg. „Ich werde es noch einmal sagen: Wir machen weiter.“ Im
Publikum erntete er mit der Entschlossenheit Applaus.
Vorschläge, auf die Beschneidung von älteren Säuglingen zu verzichten, um
sie zu einem späteren Zeitpunkt selbst über den Eingriff entscheiden zu
lassen, wies Ehrenberg energisch zurück: Das widerspräche der Tradition des
Judentums und sei „aus Religionssicht noch schlimmer als physische
Vernichtung“.
Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der spontan auf der
Kundgebung sprach, warnte davor, religiöse Rituale gesetzlich
einzuschränken: „Soll es üblich werden, dass der Staat definiert, was zum
Kern einer Religionsgemeinschaft gehört?“
## Ein Bundesgesetz soll her
Kämpferisch zeigte sich auch Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen
Gemeinde in Deutschland: „Niemand wird die Beschneidung in Deutschland
stoppen können.“ Immer wieder wurde die Forderung nach einem Bundesgesetz
laut, das Rechtssicherheit schaffen soll. Kritisiert wurde in dem
Zusammenhang die Übergangslösung des Landes Berlin.
Nach den Plänen des Justizsenators Thomas Heilmann (CDU) soll der Eingriff
unter anderem dann straffrei bleiben, wenn Eltern ihre „religiöse
Motivation“ nachweisen. Lala Süsskind, Vorsitzende des Jüdischen Forums für
Demokratie und gegen Antisemitismus, hält diese Bedingung für absurd: Wie
solle der Nachweis erfolgen, fragte sie. „Sehe ich jüdisch aus? Sehe ich
muslimisch aus?“
Eine gemeinsame Kundgebung von Juden und Muslimen ist nicht
selbstverständlich. Nachdem ein Berliner Rabbiner kürzlich von offenbar
arabischstämmigen Jugendlichen angegriffen wurde, hatte sich der Ton
zwischen den Religionen verschärft. Der Zentralrat der Juden forderte
Muslime auf, mehr gegen Antisemitismus in ihren Reihen zu tun. „Die Debatte
über Antisemitismus unter Muslimen müssen wir aufgreifen“, sicherte Kolat
gestern zu.
Rededebütant Özata konnte der Beschneidungsdebatte denn auch ein Gutes
abgewinnen: „Dass wir, Juden, Muslime und Nichtgläubige, hier
zusammengekommen sind“, sei positiv.
9 Sep 2012
## AUTOREN
Bernd Kramer
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