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# taz.de -- Gesetzentwurf des Justizministeriums: Es darf beschnitten werden
> Die Regierung will medizinisch fachgerechte Beschneidungen erlauben. Der
> Zentralrat der Juden zollt „Respekt und Anerkennung“.
Bild: David Goldberg, Rabbiner und Beschneider, zeigt seine Instrumente.
BERLIN dpa | Die Bundesregierung will medizinisch fachgerechte
Beschneidungen von jüdischen und muslimischen Jungen erlauben.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) legte am
Dienstag Ländern und Verbänden Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung vor,
wie verschiedene Medien übereinstimmend berichteten.
Demnach bliebe eine Beschneidung, die mit Einwilligung der Eltern und nach
den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird, zwar eine
Körperverletzung. Sie wäre aber nicht rechtswidrig und damit nicht
strafbar. Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den Entwurf.
Ein Sprecher des Justizministeriums sagte auf dpa-Anfrage, eine
Ausnahmeregelung solle greifen, wenn das Kindeswohl gefährdet sei.
Hintergrund für die Gesetzespläne ist ein Urteil des Landgerichts Köln. Die
Richter hatten im Mai die Entfernung der Vorhaut bei Neugeborenen und
Kleinkindern als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gewertet.
Das Urteil, das für andere Gerichte nicht bindend ist, hatte internationale
Aufmerksamkeit erregt und erhebliche Unruhe unter Juden und Muslimen
ausgelöst. Daraufhin hatte der Bundestag die Regierung aufgefordert, dazu
eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten.
## Beschneidung bleibt straffrei
Nach dem Willen von Leutheusser-Schnarrenberger soll die Beschneidung
straffrei bleiben, wie mehrere Zeitungen berichten. Demnach soll im
Kindschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Paragraf angehängt
werden, der klarstellt, dass Eltern unter bestimmten Voraussetzungen in die
Beschneidung ihres Sohnes einwilligen können. Der Eingriff muss dabei nach
den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden. Das beinhaltet bei
Bedarf auch eine Schmerzbehandlung.
Der Sprecher von Leutheusser-Schnarrenberger sagte der dpa: „Die Regelung
soll die Verunsicherung nach dem Urteil des Landgerichts Köln beseitigen.“
Das Ressort habe mehrere Anforderungen berücksichtigt: Die Beschneidung
müsse fachgerecht und möglichst schonend ablaufen.
Dem Eingriff müsse eine umfassende Aufklärung vorausgehen. Eltern müssten
den Kindeswillen bei der Frage miteinbeziehen. Und: Eine Ausnahme gelte,
wenn das Kindeswohl gefährdet sei, etwa durch gesundheitliche Risiken bei
Blutern.
## Gesetzliche Regelung auf Jungen beschränkt
Den Plänen zufolge soll in der Regel ein Arzt die Beschneidung vornehmen.
Innerhalb der ersten sechs Lebensmonate eines Kindes könnten dies aber auch
Personen sein, die von ihrer Religionsgemeinschaft dafür vorgesehen seien,
sagte der Ministeriumssprecher. „Diese Personen müssen die Beschneidung
genauso gut wie ein Arzt beherrschen“, betonte er. Die gesetzliche Regelung
sei auf Jungen beschränkt, die noch nicht selbst entscheiden könnten.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, sagte der Entwurf
gehe auf viele Wünsche der Juden in Deutschland ein. „Das
Bundesjustizministerium verdient dafür Respekt und Anerkennung, dass es
einen solch klugen Vorschlag vorgelegt hat.“
Es sei ein gutes Diskussionspapier, das jedoch in Einzelfragen des
Feinschliffs bedürfe. Die Debatte müsse nun endlich sachlich geführt
werden. „Jetzt geht es darum, auch die Gegner der Beschneidung mit ins Boot
zu nehmen und zu überzeugen.“
Bei ihrem Vorschlag verzichtet Leutheusser-Schnarrenberger ausdrücklich
darauf, auf die religiöse Motivation der Eltern einzugehen. Die
Rechtspraxis sähe sich sonst, „vor die schwierige Aufgabe gestellt, den
Inhalt religiöser Überzeugungen ermitteln zu müssen“, zitierte die
Süddeutsche Zeitung aus dem Papier des Ministeriums.
## Vorlage des Gesetzentwurfes im Herbst
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, das Justizressort habe die
angeschriebenen Fachleute und Verbände bis zum 1. Oktober um eine
Stellungnahme zu den Vorschlägen gebeten. Hintergrund sei, dass der
Bundestag noch im Herbst die Vorlage eines Gesetzentwurfes erwarte.
Außerdem werde das Vorhaben als eilbedürftig angesehen.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast mahnte, der Bundestag müsse das Thema
sehr sorgfältig beraten. Die Debatte um die Beschneidung sei keine leichte.
Künast plädierte auch dafür, bei dieser Entscheidung im Parlament die
Fraktionsdisziplin aufzuheben.
26 Sep 2012
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