# taz.de -- Asylpolitik in Bayern: Mehr Geld für Flüchtlinge | |
> Bayerische Landkreise überwiesen Asylbewerbern weniger Geld als | |
> vorgesehen – weil sie in Sammelunterkünften wohnen. | |
Bild: Das Essenspaket als Piñata: Protest in München gegen die Asylpolitik. | |
BERLIN/BAMBERG taz | Als Hadi Ghaeni Anfang September seinen Kontoauszug in | |
Händen hielt, hat er sich geärgert: 27 Euro zu wenig hatten der Landkreis | |
Bamberg dem Flüchtling aus dem Iran überwiesen. Warum, weiß der 24-Jährige | |
nicht. „Ich habe keinen Bescheid erhalten, der das erklärt.“ Für jemanden, | |
der weniger erhält als ein Hartz-IV-Empfänger, sind 27 Euro viel Geld. | |
Künftig sollen Asylbewerber wie Ghaeni aber mehr bekommen. Das stellte | |
Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer jetzt klar und reagiert | |
damit auf Proteste des bayerischen Flüchtlingsrats. Dieser hatte | |
beanstandet, dass Asylbewerber in manchen Landkreisen mit abstrusen | |
Begründungen um ihr Geld geprellt würden. | |
Hintergrund des Streits ist ein Urteil des Bundesverfassungsgericht vom | |
Juli. Die Karlsruher Richter hatten das Asylbewerberleistungsgesetz | |
(AsylbLG), das die Sozialleistungen von Asylsuchenden regelt, in weiten | |
Teilen für verfassungswidrig erklärt. Es verstoße gegen das „Grundrecht auf | |
ein menschenwürdiges Existenzminimum“. Bis zum Inkrafttreten einer neuen | |
gesetzlichen Regelung müssen Asylbewerber nun 336 Euro im Monat erhalten | |
statt bisher 224 Euro, entschieden sie. Das entspräche 90 Prozent des | |
Hartz-IV-Regelsatzes. | |
## Kein eigener Haushalt = weniger Bedarf | |
In Bayern ist die Lage allerdings komplizierter. Einen Teil der | |
Sozialleistungen gibt der Freistaat in Form von Essenspaketen aus und zieht | |
diesen Betrag von den 336 Euro ab. Das „Taschengeld“ hätte damit von | |
derzeit 40 Euro auf 134 Euro erhöht werden müssen. Auf Hadi Ghaenis Konto | |
gingen aber lediglich 107 Euro ein. | |
Die Regierung von Oberfranken erklärt die Differenz so: Zwar betrage die | |
Höhe des Taschengelds in der Regelbedarfsstufe 1, in die erwachsene, | |
alleinstehende oder alleinerziehende Personen, die einen eigenen Haushalt | |
führen, eingruppiert werden, besagte 134 Euro. Jedoch führten Asylbewerber, | |
die in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, keinen eigenen | |
Haushalt und hätten deswegen einen geringeren Bedarf. Deshalb fielen sie | |
unter die Regelbedarfsstufe 3, in der es nur 107 Euro monatlich gibt. | |
Der Schweinfurter Rechtsanwalt Joachim Schürkens, der im Auftrag von zehn | |
Flüchtlingen Widerspruch bei den Behörden eingelegt hat, hält die | |
Argumentation für Unsinn. „Regelbedarfsstufe 3 ist dann gerechtfertigt, | |
wenn jemand im Hausstand eines anderen lebt“, sagt er, „also wenn | |
zusätzliche Kosten, wie Telefon oder die Anschaffung von Haushaltsgeräten, | |
durch den Haushaltsvorstand abgedeckt sind.“ Haderthauer schrieb den | |
Landkreisen nun, dass Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften nicht | |
automatisch in Regelbedarfsstufe 3 eingruppiert werden könnten. | |
1 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
M. Halser | |
B. Kramer | |
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