# taz.de -- Frauenkongress in Polen: Tusks Geschlechter-Reißverschluss | |
> Mann, Frau, Mann, Frau. Polens Premierminister hat auf dem Frauenkongress | |
> in Warschau eine 50-Prozent-Quote für kommende Wahllisten versprochen. | |
Bild: Donald Tusk: Premierminister mit hypnotischem Blick. | |
WARSCHAU taz | In Polen gärt es: Die Frauen sind so unzufrieden wie nie | |
zuvor. Ihr Lohn ist signifikant niedriger als der der Männer. Wichtige | |
Diskussionen finden in Herrenrunden statt. Bei der Vergabe leitender | |
Positionen werden Frauen trotz oft besserer Qualifikation übergangen. | |
Zwar wurden Premier und Präsident nicht müde, den Frauen zu versichern: | |
„Ja, ja, wir kümmern uns!“ Doch danach taten sie nichts. Über 20 Jahre la… | |
ging das so. Jetzt gelang es dem Kongress der Frauen, einen ersten Erfolg | |
zu erringen: Die Frauenquote kommt. | |
Bei der nächsten Parlamentswahl soll erstmals das „Reißverschluss-System“ | |
auf Wahllisten – Frau, Mann, Frau Mann – dafür sorgen, dass die Hälfte der | |
Kandidaten Frauen sind. Auch für die Aufsichtsräte staatlicher Firmen soll | |
eine gesetzlich verankerte Frauenquote eingeführt werden. | |
Das zumindest versprach Premier Donald Tusk von der liberal-konservativen | |
Bürgerplattform auf dem diesjährigen Kongress der Frauen in Warschau. | |
Umgeben von tausenden unzufriedenen Wählerinnen fühlte sich der Premier | |
sichtlich unwohl. Denn seine Regierung hat keine einzige Verbesserung für | |
Frauen eingeführt. | |
## Gowins wunderliche Ansichten | |
Zuletzt verstieg sich Justizminister Jaroslaw Gowin sogar zu der absurden | |
Behauptung, die Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von | |
Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zerstöre traditionelle | |
Familienwerte und ebne der Homoehe den Weg. Die Konvention sei im Duktus | |
einer Polen fremden „feministischen Ideologie“ geschrieben und daher | |
abzulehnen. | |
Selbst Proteste von Frauen aus der eigenen Partei, der Bürgerplattform, | |
konnten ihn nicht überzeugen. Der linksliberalen Tageszeitung Gazeta | |
Wyborcza sagte er: „Egal, welch feministisches oder schwules Buch man zur | |
Hand nimmt, die Botschaft sei immer gleich: Es gilt, das Stereotyp der | |
Mutterschaft wie das der Aufteilung der Rollen in einer Ehe zu bekämpfen.“ | |
Für Gowin ist das inakzeptabel. Ratifiziere Polen die Konvention gegen | |
häusliche Gewalt, würden bald „Erstklässler aus Schulbüchern lernen, dass | |
als Eltern nicht nur Mama und Papa in Frage kämen, sondern auch zwei Mamas | |
oder zwei Papas“. | |
Tusk ließ seit dem ersten „Ohne mich!“ des Justizministers fünf Monate | |
verstreichen. Doch nun – nach dem Kongress der Frauen – entschied er, dass | |
seine Regierung die Konvention unterschreiben werde, wie bereits über 20 | |
andere Staaten, die dem Europarat angehören. | |
## Ohne Quote geht nichts | |
„Ohne Frauenquote wird sich an den Machtverhältnissen in Politik und | |
Wirtschaft nie etwas ändern“, sagt die Ethikprofessorin und | |
Frauenrechtlerin Magdalena Sroda. Längst sind aktive Politikerinnen und | |
Managerinnen auf ihre Linie eingeschwenkt. | |
Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, beträgt der Frauenanteil nur 23 | |
Prozent. Zwar gab es für die Parlamentswahlen 2011 erstmals eine | |
freiwillige Frauenquote von 35 Prozent auf den Parteilisten. Doch die | |
Frauen bekamen meist hintere und damit aussichtslose Listenplätze. Das | |
Ergebnis war denn auch so blamabel wie zuvor. | |
In der Wirtschaft ist es nicht viel anders. Obwohl es zahlreiche gut | |
ausgebildete Managerinnen gibt, sitzen Frauen nur auf fünf von 100 | |
polnischen Chefsesseln. In Aufsichtsräten börsennotierter Firmen sind | |
Frauen auch nur zu 12 Prozent vertreten. Die vor allem von Geschäftsleuten | |
gelesene konservative Tageszeitung Rzeczpospolita warnt vor der Quote: „Die | |
Epidemie der Parität breitet sich schneller aus als die des | |
Rinderwahnsinns, der Schweine- und Vogelgrippe zusammengenommen.“ | |
5 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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