# taz.de -- Schnäppchen für Arbeitgeber: Aktien gegen Arbeitnehmerrechte | |
> Aushöhlung des Arbeitsrechts: Schatzkanzler Osborne will Arbeitnehmern | |
> steuerbefreite Aktien geben, wenn sie auf Kündigungs- und | |
> Mutterschaftsrechte verzichten. | |
Bild: Schatzkanzler George Osborne will weniger Mutterschutz. | |
DUBLIN taz | Nach den am Montag enthüllten Plänen des britischen | |
Schatzkanzlers George Osborne sollen Arbeitnehmer von ihren Firmen Aktien | |
im Wert von 2.000 bis 50.000 Pfund erhalten, wenn sie auf ihre Rechte | |
weitgehend verzichten. Ab April 2013 können sie dann nicht mehr wegen | |
ungerechtfertigter Entlassung klagen, auf Abstandszahlung, flexible | |
Arbeitszeit oder Fortbildung beharren. | |
Frauen in Mutterschaft müssen künftig 16 statt 8 Wochen vor ihrer Rückkehr | |
an den Arbeitsplatz Bescheid geben. Als „Belohnung“ entfällt die | |
Kapitalertragssteuer auf diese Aktien. | |
„Eigentümer, Arbeiter und Steuereintreiber stehen zusammen“, sagte Osborne. | |
„Arbeiter der Welt, vereinigt euch.“ Das Gesetz soll schnell durch das | |
Parlament gepeitscht werden, gilt aber nur für Arbeitsverträge, die nach | |
Inkrafttreten im April abgeschlossen werden. Bestehende Verträge können nur | |
einvernehmlich geändert werden. | |
Die Idee ist nicht neu. Adrian Beecroft, der Risikokapital-Anleger und | |
Tory-Finanzier, hatte bereits vor den Wahlen 2010 vorgeschlagen, dass | |
Firmen ihre Angestellten feuern dürfen, ohne eine Klage vor dem | |
Arbeitsgericht befürchten zu müssen. | |
Damals legte der Koalitionspartner der Tories, die Liberalen Demokraten, | |
ein Veto ein. Osbornes modifiziertes Gesetz unterstützen sie nun. Beecroft, | |
der den Tories mehr als 600.000 Pfund spendete, freute sich: „Das ist eine | |
kreative und spannende Version meiner Vorschläge.“ | |
Brendan Barber, der Generalsekretär des Gewerkschaftsbunds, sagte hingegen: | |
„Wir missbilligen jeden Angriff auf das Mutterschaftsrecht und auf den | |
Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung.“ | |
Der Gewerkschaftssprecher Paul Kenny fügte hinzu: „Indem man die Rechte der | |
Arbeiter unter dem Deckmäntelchen von Eigentumsbeteiligungen abbaut, | |
schafft man weder Arbeitsplätze noch Wirtschaftswachstum.“ | |
## Streichprogramm bei Sozialleistungen | |
Osborne kündigte außerdem Kürzungen von 16 Milliarden Pfund ab dem | |
Steuerjahr 2015/2016 an. So soll die Sozialhilfe für arbeitslose Familien | |
mit mehr als drei Kindern reduziert, das Wohngeld für Arbeitslose unter 25 | |
komplett gestrichen werden, und Rentenerhöhungen sollen nicht mehr länger | |
an die Inflation gekoppelt sein. | |
Der von den Liberalen Demokraten favorisierten Steuer auf Häuser im Wert | |
von mehr als zwei Millionen Pfund erteilte Osborne eine Absage. | |
Der Daily Mirror kommentierte gehässig, Osborne habe zwei große Probleme – | |
abgesehen von der kleinen Schwierigkeit, dass er keine Ahnung von | |
Wirtschaft habe: „Seine Ausstrahlung ähnelt der eines toten Karpfens am | |
Rand eines vergifteten Sees. Und er hat ein Gesicht, dass nur eine blinde | |
Mutter lieben kann.“ | |
9 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
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Arbeitnehmerrechte | |
Arbeitsrecht | |
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