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# taz.de -- Kommentar EU-Entsenderichtlinie: Ein Scheunentor als Schlupfloch
> Würden wir für ungleichen Lohn in der Schweiz arbeiten? Wohl kaum.
> Arbeitnehmer aus Osteuropa sollen nun auch gleichgestellt werden – mit
> Ausnahmen.
Bild: Bitte recht günstig: Arbeiter aus Osteuropa
Stellen wir uns vor, es käme ein Stellenangebot aus der Schweiz auf den
Tisch geflattert. Hochlohnland! Wir reiben uns vergnügt die Hände, rechnen
schon aus, wie lange man dort wohl arbeiten müsste, um sich später eine
Datscha im Berliner Umland leisten zu können. Schließlich muss auch bedacht
werden, dass in der Schweiz eine Schrippe teurer ist als ein Döner in
Berlin. Dann kommt heraus: Der Job soll gar nicht auf Schweizer Niveau
bezahlt werden. Aufschrei!
Genau das ist jahrzehntelang Realität innerhalb der EU gewesen. Wer aus
Polen, Slowenien oder Ungarn auf deutschen Baustellen oder in Pflegeheimen
arbeitete, musste nicht nach ortsüblichen Löhnen bezahlt werden. Frei nach
dem Motto: Sie kennen es ja nicht anders. Die vorwiegend osteuropäischen
Arbeitnehmer sollten froh sein, überhaupt einen Job zu haben.
Und hierzulande freute man sich darüber, dass die Renovierung der eigenen
vier Wände und eine Rund-um-die-Uhr-Pflege für die Oma günstiger zu haben
war als sonst üblich. Das soll nun anders werden. Unter dem eleganten Namen
„EU-Entsenderichtlinie“ hat das europäische Parlament am Dienstag eine
Reform und damit das Ende der Ungleichbehandlung beschlossen. Denn die
bisherige Praxis öffnet nicht nur Ausbeutung Tür und Tor und widerspricht
dem Grundsatz, dass für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden muss.
Sie gefährdet auch den sozialen Frieden, weil Lohndumping mühsam erkämpfte
Tariflöhne untergräbt und einheimische Arbeitsplätze bedrohen kann.
Doch die Abgeordneten wohlhabender EU-Staaten mit ihren mächtigen
Wirtschaftsverbänden hätten wohl nicht zugestimmt, wenn es nicht auch
Ausnahmen gäbe. Ein Jahr bis maximal 18 Monate sollen entsandte
ArbeitnehmerInnen noch so bezahlt und behandelt werden können, wie es in
ihrem Herkunftsland üblich ist. Dieses Schlupfloch ist so groß wie ein
Scheunentor. Denn was sollte Unternehmer daran hindern, ihre Beschäftigten
nach einem Jahr auszutauschen? Eben. Die Reform ist eine Verbesserung, aber
keine Lösung.
29 May 2018
## AUTOREN
Silke Mertins
## TAGS
Arbeitnehmerrechte
Ausbeutung
Schwerpunkt Emmanuel Macron
EZB
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