# taz.de -- Arbeitsrechtler über Arbeitsverträge: „Alle wissen, dass es ill… | |
> Immer mehr Arbeitsverträge seien rechtswidrig, sagt Jurist Peter Schüren. | |
> Er fordert Bußgelder und Gewinnabschöpfung zur „Abschreckung“. | |
Bild: Protestaktion der IG Metall gegen Lohndumping von Leiharbeitsfirmen | |
taz: Herr Schüren, Sie sagen, es gibt immer mehr rechtswidrige | |
Arbeitsverträge . Woran machen Sie das fest? | |
Peter Schüren: Mir werden immer mehr davon vorgelegt. Da steht etwa drin, | |
Überstunden sind freiwillig und werden nicht bezahlt. Oder es gibt nur | |
Lohn, wenn ein täglicher Mindestumsatz erreicht wird. Regaleinräumen oder | |
Hotelzimmerreinigen im Pseudoakkord für vier Euro Stundenlohn, habe ich | |
auch schon gesehen. | |
Wo kommt das vor allem vor? | |
Vor allem dort, wo es keine Tarifbindung oder Betriebsräte gibt, also in | |
den Dienstleistungen. | |
Kennen die Beschäftigten ihre Rechte nicht? | |
Doch, ich glaube, alle wissen, dass es illegal ist. Aber die Arbeitgeber | |
wissen, dass sich kaum jemand wehrt. Klagt doch jemand, vergleicht man sich | |
vor Gericht, der Beschäftigte bekommt sein Geld und es wird bei den anderen | |
weitergemacht. | |
Welche Konsequenzen erwarten Arbeitgeber noch? | |
Ganz selten werden sie wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen | |
belangt. Normalerweise passiert aber nichts. Rechtsbruch wird zum Mittel, | |
um Kosten zu senken. | |
Sie fordern, dagegen entschlossener vorzugehen. Was schlagen Sie vor? | |
Nach meiner Erfahrung hilft Abschreckung. Wir brauchen einen eigenen | |
Bußgeldtatbestand für die Nutzung rechtswidriger Arbeitsbedingungen zur | |
Kostensenkung. Dann kann man denen, die ihre Mitarbeiter über den Tisch | |
ziehen, ein tüchtiges Bußgeld verpassen und den gesamten rechtswidrig | |
erzielten Gewinn abschöpfen. Wer 250.000 Euro Bußgeld und fünf Millionen | |
Euro Gewinnabschöpfung hinter sich hat, verzichtet vermutlich auf | |
Pseudoakkord und unbezahlte Überstunden. | |
2010 hat das Bundesarbeitsgericht die Leiharbeitsgewerkschaft CGZP, die | |
teilweise Stundenlöhne von unter fünf Euro vereinbarte, für tarifunfähig | |
erklärt. Wie sieht es aktuell mit Gewerkschaften aus, die im Sinne der | |
Unternehmer handeln? | |
Es gibt wieder Billigtarife von dubiosen Gewerkschaften. Ein Beispiel ist | |
der Tarifvertrag der christlichen Berufsgewerkschaft DHV mit dem | |
Arbeitgeberverband Instore und Logistik Services, der einen Stundenlohn im | |
Bereich von sechs Euro festlegt. Den Tarifvertrag haben für die DHV die | |
gleichen Leute unterschrieben, die die Dumpinglohntarife in der Leiharbeit | |
abgeschlossen haben. Es ist dringend Zeit, dass ein Bundesland oder das | |
Bundesarbeitsministerium die Tariffähigkeit der DHV vor Gericht überprüfen | |
lässt. Dieser Weg steht ihnen offen, er wird aber viel zu selten genutzt … | |
… 2008 aber von der linken Berliner Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner, | |
die das Verfahren gegen die Leiharbeitsgewerkschaft CGZP einleitete. | |
Ja, aber das war auch die erste Initiative dieser Art seit den fünziger | |
Jahren. | |
Lohndumping funktioniert auch mit Hilfe von Werkverträgen. Gewerkschaften | |
und einige Arbeitsrechtler fordern, diese strenger zu regulieren. Anhand | |
eines Kriterienkatalogs sollten gute von schlechten Werkverträgen | |
unterschieden werden. Bringt das etwas? | |
Ich fürchte, da würde gesetzgeberisches Pulver wirkungslos verschossen. Es | |
geht nicht um die rechtliche Einordnung. Es geht um die Arbeitsbedingungen. | |
Wir brauchen beispielsweise einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn für | |
alle Menschen, die in Deutschland arbeiten. Wir müssen unterbinden, dass | |
Scheinwerkverträge praktisch folgenlos bleiben. | |
Was meinen Sie mit Scheinwerkverträgen? | |
Häufig hat ein Unternehmer A, der Werkverträge abschließt, auch noch eine | |
Leiharbeitserlaubnis von der Bundesagentur für Arbeit. Die braucht man, um | |
Arbeitnehmer zu verleihen. Vermittelt Unternehmer A nun unter dem | |
Deckmantel eines Werkvertrags, weil er die engen Bestimmungen der | |
Leiharbeit umgehen will, Arbeitskräfte und sind diese in Wirklichkeit | |
Arbeitnehmer, und das fliegt auf, dann ist die Leiharbeitserlaubnis sein | |
Rettungsfallschirm. Ohne die wäre der mit einem Scheinwerkvertrag | |
überlassene Beschäftigte kraft Gesetz Arbeitnehmer des Entleihbetriebs. Mit | |
allen Ansprüchen auf höhere Löhne beispielsweise. Diese Zweckentfremdung | |
der Leiharbeitserlaubnis muss per Gesetz berichtigt werden. | |
30 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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