# taz.de -- Razzia bei Dresdner Leiharbeitsfirma: 14 Stunden gearbeitet, vier b… | |
> Ein vietnamesischer Unternehmer soll seine Landsleute nach Deutschland | |
> eingeschleust und ausgebeutet haben. Pikant: In Vietnam gilt er als | |
> großes Vorbild. | |
Bild: Viele der VietnamesInnen arbeiteten in Fleischfabriken. | |
BERLIN taz | Der Vorwurf wiegt schwer: Gewerbs- und bandenmäßiges | |
Einschleusen von Ausländern sowie Hinterziehung von Steuern und | |
Sozialabgaben werfen Zoll und Bundespolizei der Firma TID Germany aus | |
Dresden vor. | |
Die von Vietnamesen betriebene Leiharbeitsfirma vermittelt ihre Landsleute | |
bundesweit an Fleischfirmen. Dort zerlegen sie Schweine und Hühner oder | |
verpacken Fleisch, das in Discountern verkauft wird. Kürzlich nun gab es | |
eine bundesweite Razzia. Dabei wurden umfangreiche Beweismittel | |
beschlagnahmt. Noch befindet sich die Führungsriege der Firma auf freiem | |
Fuß; Haftbefehle wurden noch nicht erlassen. | |
Der Geschäftsführer und weitere Führungskräfte sollen Vietnamesen aus | |
europäischen Nachbarländern nach Deutschland geschleust haben. Diese wurden | |
den Ermittlern zufolge mit gefälschten Papieren ausgestattet und an | |
Fleisch- und Wurstverarbeitungsfirmen als Arbeitskräfte vermittelt. Die | |
Fahnder haben die Firma bereits seit drei Jahren im Visier. Nach Angaben | |
der Zollverwaltung soll die Verleiherfirma zudem im großen Stil | |
Lohnabrechnungen manipuliert und auf diese Weise Steuern und Sozialabgaben | |
hinterzogen haben. | |
Eine Vietnamesin, die vor zwei Jahren für diese Firma arbeitete, erzählt: | |
„Viele Leute in meiner Firma damals haben nur Arbeitsverträge für vier | |
Stunden pro Tag bekommen. Damit haben sie auf dem Papier so wenig Geld | |
verdient, dass sie zusätzlich Hartz IV bezogen.“ Real betrugen die | |
Arbeitszeiten oft bis zu 12 oder 14 Stunden. Es wurden schwarz Zuschläge | |
gewährt, die von Monat zu Monat variierten, so die Frau. | |
„Wir Leiharbeiter mussten nach den Ende der arbeitsvertraglich vereinbarten | |
Arbeitszeit das Firmengelände kurz verlassen, auschecken und uns dann unter | |
der Schranke durchkriechend wieder in die Firma einschummeln“, erzählt die | |
Frau. Sie selbst gehörte zu den wenigen Arbeitskräften mit einem | |
Achtstundenvertrag. „Der Lohn war aber so aufgesplittet, dass ich nur einen | |
geringen Grundlohn hatte plus allerlei Zuschläge zum Beispiel für die | |
Verpflegung.“ | |
## „Ich hatte keine Wahl“ | |
Der Nachteil: Bei Krankheit und Urlaub fielen diese Zuschläge weg. „Ich | |
konnte es mir nicht leisten, krank zu sein, habe auch mit schniefender Nase | |
Fleischstücken für Discounter verpackt“, erzählt die Vietnamesin. Dass das | |
unhygienisch war, weiß sie: „Aber ich hatte keine Wahl.“ Die | |
Wohnbedingungen für Arbeiter in hygienisch sensiblen Bereichen seien | |
erschreckend gewesen. | |
Der Geschäftsführer von TID Germany, Nguyen Van Tran, sieht sich zu Unrecht | |
beschuldigt. „Ich habe nie, wirklich nie jemanden nach Deutschland | |
geschleust. Schon vor drei Jahren wurde meine Firma durchsucht. Es kam aber | |
nie zu einer Anklageerhebung“, sagt er. Tran räumt ein, zwei Arbeitnehmer | |
mit gefälschten Papieren beschäftigt zu haben. „Die Fälschungen waren | |
perfekt. Da kann man mir nicht vorwerfen, das nicht erkannt zu haben.“ Für | |
die Lohnabrechnungen in seiner Firma beschäftige er Experten, die er | |
regelmäßig zu beruflichen Fortbildungen schicke. „Da mögen kleinere Fehler | |
vorkommen, aber kein Betrug.“ | |
Pikant: In der vietnamesischen Gemeinde Deutschlands ist Tran nicht | |
irgendwer. Er hat vor der Firmengründung zehn Jahre lang im Brandenburger | |
Sozialministerium gearbeitet. Er ist Vizevorsitzender des Vietnamesischen | |
Unternehmerverbands in Deutschland sowie eines Dachverbands der Vietnamesen | |
in Deutschland. Mit letztgenanntem Verband hat er sich einem | |
Verbandssprecher zufolge nach der Razzia auf ein Ruhen seines Amts | |
geeinigt. Beide Vereine treten in der deutschen Gesellschaft so gut wie | |
nicht in Erscheinung. | |
Von der Regierung in Hanoi werden sie hingegen hofiert und sind in | |
vietnamesischen Zeitungen sehr präsent. Dort vermittelt der | |
Unternehmerverband die Botschaft von erfolgreichen Landsleuten im Ausland. | |
Wenn vietnamesische Politiker nach Deutschland kommen, lassen sie sich auch | |
gern in Mitgliedsunternehmen filmen, umgeben von vietnamesischen | |
Staatsflaggen und fröhlich klatschenden Landsleuten. Tran selbst wurde von | |
Hanoi 2009 als hervorragender Unternehmer im Ausland ausgezeichnet. | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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