# taz.de -- Prekäre Arbeitsverhältnisse: Max Planck setzt auf Billigforscher | |
> Auch gestandene Wissenschaftler bekommen bei Max-Planck-Instituten keine | |
> Arbeitsverträge. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine | |
> Anfrage der Linkspartei. | |
Bild: Viel Arbeit, viel Ehre, aber wenig Geld: Max-Planck-Institute setzen zune… | |
BERLIN taz | Dass Doktoranden der Max-Planck-Gesellschaft gegen prekäre | |
Arbeitsverhältnisse mobilmachen, ist ziemlich einmalig. Schließlich | |
versteht sich die von Bund und Ländern finanzierte Gesellschaft als eine | |
der führenden deutschen Forschungsinstitutionen. Hier zu arbeiten fördert | |
Ruf und Karriere. Doch nun zeigt eine aktuelle Anfrage der Linkspartei: das | |
Stipendienunwesen betrifft längst auch promovierte Wissenschaftler. | |
Rund 1.350 Postdoktoranden an den 80 Max-Planck-Instituten werden derzeit | |
aus Stipendien finanziert, so die Antwort des | |
Bundeswissenschaftsministeriums, die der taz vorliegt. Sie bekommen also | |
einen monatlichen Grundbetrag von bis 2.100 Euro und müssen sich davon | |
freiwillig gegen Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit versichern. | |
„Dass der Trend auch bei Promovierten zu Stipendien geht, wirft ein | |
bezeichnendes Licht auf die überkommenen Personalstrukturen in der | |
deutschen Wissenschaftslandschaft“, meint die forschungspolitische | |
Sprecherin der Linken, Petra Sitte. In Deutschland würden selbst 45-jährige | |
Habilitierte noch als „Nachwuchs“ bezeichnet. | |
Die Sprecherin der Max-Planck-Gesellschaft, Christina Beck, sagte der taz, | |
die Bezahlung der Postdocs sei innerhalb der Gesellschaft bisher kein | |
Thema: „Der weitaus größte Teil unserer Postdoktoranden sind keine | |
EU-Bürger. Die Frage der Sozialversicherung stellt sich für diese Gruppe | |
nicht, da sie Deutschland sowieso wieder verlassen. Sie können ihre | |
Sozialversicherungsansprüche nicht mitnehmen.“ Laut Statistik kommen 1.223 | |
der über Stipendien finanzierten Postdocs aus dem Ausland, 126 sind | |
Deutsche. | |
## Verbindliche Untergrenze von 1.365 Euro | |
Aus der Antwort der Bundesregierung geht auch hervor, dass die | |
Max-Planck-Gesellschaft stärker als andere außeruniversitäre | |
Forschungseinrichtungen auf Stipendien setzt. Der Stipendiatenanteil unter | |
den Doktoranden ist hier seit 2004 von 35 auf 60 Prozent gestiegen, in der | |
Helmholtz-Gemeinschaft beträgt er derzeit knapp 10 Prozent. | |
Die protestierenden Doktoranden sehen ihre Befürchtungen bestätigt. Bisher | |
haben 1.300 Unterstützer die „Fair Pay Petition“ unterschrieben. Auch von | |
unzufriedenen Postdoktoranden kämen viele Zuschriften. MPG-Sprecherin Beck | |
sagte, die Bezahlung der Doktoranden werde auf den Gremiensitzungen Mitte | |
Juni behandelt. „Diskutiert wird derzeit eine verbindliche Untergrenze von | |
1.365 Euro für Promotionsstipendien.“ | |
Bislang regelt jeder Max-Planck-Direktor die Höhe der Stipendien an seinem | |
Institut autonom. | |
Auch die Opposition im Bundestag hat die Stipendienfrage in der | |
Max-Planck-Gesellschaft Anfang Mai im Haushaltsausschuss zum Thema gemacht. | |
„Es ging um Höhe, Wahlmöglichkeiten und Mindesstandards bei den | |
Stipendien“, teilte der SPD-Obmann Klaus Hagemann der taz mit. Klar sei, | |
dass es bei dem gerade von der schwarz-gelben Koalition vorgelegten | |
„Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ nicht allein um Gehaltszulagen für | |
Spitzenwissenschaftler gehen kann. „Es müssen darüber hinaus auch der | |
wissenschaftliche Nachwuchs und die Doktoranden in den Blick genommen | |
werden“, sagte Hagemann. | |
Das findet auch die Linke. „Die Bundesregierung könnte Verantwortung | |
zeigen, indem sie den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das | |
klare Signal für bessere Karriereperspektiven in der Wissenschaft setzt“, | |
meint Sitte. Die Linke hat ein Anreizprogramm für 10.000 Stellen mit | |
Perspektive an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen | |
vorgeschlagen. | |
Anmerkung der Redaktion: Das Zitat von Christina Beck, Sprecherin der MPG | |
wurde geändert. In einer früheren Version hieß es: | |
„Der weitaus größte Teil der Stipendiaten sind EU-Ausländer. Die Frage der | |
Sozialversicherung stellt sich für diese Gruppe nicht, da sie Deutschland | |
sowieso wieder verlassen." | |
23 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Arbeitsrecht | |
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