# taz.de -- Kommunalwahlen in Grossbritannien: Halbzeit-Denkzettel für Cameron | |
> Aus Protest gegen konservative Sparpolitik legt Labour zum ersten Mal | |
> seit Jahren bei einer britischen Kommunalwahl zu. Sie erreichte ihr Ziel: | |
> 700 Sitze mehr. | |
Bild: Vielleicht sind die an falschen Orten aufgestellten Plakate schuld am Sie… | |
DUBLIN taz | Die britische Koalitionsregierung aus Konservativen und | |
Liberaldemokraten hat bei den Kommunalwahlen am Donnerstag die erwartete | |
Abreibung bekommen. Beide Parteien verloren Hunderte von Sitzen. | |
Besonders für die Liberalen war es ein schlechter Tag, sie fuhren ihr | |
schlechtestes Ergebnis seit 14 Jahren ein. Parteichef Nick Clegg sagte, er | |
sei „sehr traurig“ über das Wahlergebnis, fügte aber hinzu, dass seine | |
Partei den Regierungskurs weiterhin mittragen werde. | |
Er führte die Schlappe auch darauf zurück, dass die Konservativen in vielen | |
Wahlkreisen im Norden Englands gar nicht antraten und die Liberalen deshalb | |
die Wut auf die Regierung alleine ausbaden mussten. Gewinner war die | |
oppositionelle Labour Party, die ihr selbst gestecktes Ziel erreicht hat | |
und 700 Sitze hinzugewonnen hat. Sie errang unter anderem die Kontrolle | |
über die zweitgrößte englische Stadt Birmingham, über die walisische | |
Hauptstadt Cardiff, über das südenglische Plymouth und zahlreiche andere | |
Städte. | |
Gewählt wurde in 181 Gemeinden, die Wahlbeteiligung lag bei nur 32 Prozent. | |
Von diesen 181 regiert Labour jetzt 67 statt 38 mit absoluter Mehrheit, die | |
Konservativen 40 statt 52. | |
Auch in London legte Labour zu, doch die parallel stattfindende | |
Oberbürgermeisterwahl ging verloren: Der Konservative Boris Johnson konnte | |
sein Amt gegen Ken Livingstone vom linken Labour-Flügel offenbar | |
verteidigen; nach Auszählung der Hälfte der Stimmen am Nachmittag lag | |
Johnson mit 45 Prozent vor Livingstone, der auf 39 Prozent kam. | |
## Grüne vor den Linken auf dem dritten Platz | |
Die Grünen überrundeten offenbar die Liberalen und kamen auf den dritten | |
Platz. Hinzugewonnen hat auch das linke Bündnis Respect von George | |
Galloway, das in Bradford fünf Mandate gewann. Unter anderem nahm Respect | |
dem Bezirksratsvorsitzenden, Ian Greenwood von der Labour Party, den Sitz | |
ab. Ein weiterer Gewinner ist die rechtskonservative United Kingdom | |
Independence Party (UKIP), die besser abschnitt als je zuvor. | |
Die rechtsextreme British National Party (BNP) ist von den Wählern dagegen | |
abgeschmettert worden, die Partei verlor sämtliche ihrer 12 Sitze. In | |
Schottland errang die dort regierende Schottische Nationalpartei (SNP) | |
offenbar nicht den erwarteten Sieg über Labour in Glasgow. | |
## Die Briten wollten der streng sparenden Regierung einen Denkzettel | |
verpassen | |
Labour kam auf 38 Prozent, die Torys auf 30 und die Liberalen auf 16 | |
Prozent der Stimmen. Nach zwei Jahren Amtszeit, in denen Premierminister | |
David Cameron einen rigiden Sparkurs gefahren hat, wollten die Wähler der | |
Regierung einen Denkzettel verpassen, zumal Großbritannien wieder in einer | |
Rezession steckt. Vieles hat sich die Koalition selbst zuzuschreiben. So | |
hat Schatzkanzler George Osborne Anfang des Jahres den Spitzensteuersatz | |
von 50 auf 45 Prozent gesenkt und gleichzeitig die Abgaben für Rentner | |
erhöht. | |
Cameron sagte zum Wahlergebnis, dass es „im normalen Rahmen für Regierungen | |
zur Halbzeit ihrer Amtsperiode“ liege. Labour-Chef Ed Miliband frohlockte | |
indes, Labour sei auf dem besten Weg, das Vertrauen der Wähler | |
zurückzugewinnen. Der Weg bis dahin ist noch weit. | |
4 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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