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# taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis: Kluge, weitsichtige Entscheidung
> Mo Yan erhält den Literatur-Nobelpreis und Liao Yiwu den Friedenspreis
> des Deutschen Buchhandels. Unterschiedlicher könnten die Preisträger
> nicht sein.
Was die kulturellen Signale in Richtung China betrifft, erweist sich diese
Woche als ein absoluter Glücksfall. In Mo Yan hat die schwedische Akademie
einen Nobelpreisträger für Literatur gewählt, der für seine Romane und
Erzählungen Sujets jenseits der direkten politischen Auseinandersetzungen
wählt. Und am Sonntag erhält mit Liao Yiwu ein Dissident und politisch
verfolgter Autor in Frankfurt am Main den Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels. Das ist keineswegs ein Widerspruch. Vielmehr erhält man erst
dann das ganze Bild, wenn man die Solidarität mit den chinesischen
Dissidenten und die Anerkennung für das Eigenrecht der chinesischen
Literatur zusammennimmt.
Liao Yiwu wird, das ist sicher anzunehmen, am Sonntag bei der
Preisverleihung Klartext reden. Er wird an die Opfer des Massakers vom
Tiannanmen-Platz erinnern und die Repression des chinesischen Regimes
angreifen. Die Gäste der Feierstunde werden applaudieren und sich
vielleicht sogar von ihren Sitzen erheben. Das wird auch gut und richtig so
sein, weil Massaker nicht hinzunehmen und individuelle Menschenrechte nicht
verhandelbar sind. Der interkulturelle Dialog besteht auch darin, die
Punkte zu benennen, in denen ein Dissens, möglicherweise sogar eine tiefe
Kluft klafft.
Der Nobelpreis für Mo Yan sendet zugleich ein weiteres Signal, das aber
keine Aufweichung der Solidarität, sondern die andere Seite derselben
Medaille ist. Dieser Nobelpreis kündet ja nicht nur von der Anerkennung für
den Schriftsteller Mo Yan, auch nicht nur von dem großen Interesse über
China hinaus an chinesischer Literatur mit ihren komplexen Dorfgeschichten
und ihrer eigenen Mystik; beide Aspekte hat die schwedische Akademie in
ihrer Preisbegründung hervorgehoben.
Sondern er kündet vor allem davon, dass die Akademie an einen Raum über
oder jenseits aller kultureller oder politischer Grenzen glaubt, in dem die
Autoren in ihren Büchern frei über die Lebenserfahrungen der Menschen in
ihren jeweiligen Zeiten und Gesellschaften schreiben können.
Diesen Raum – es gibt für ihn ein großes Wort: Weltliteratur – gilt es, da
hat die schwedische Akademie recht, genauso wahrzunehmen wie die Dissense.
Die Möglichkeit des Austauschs, die sich mit ihm ergibt, mag immer fragil
und umkämpft sein, aber das ändert nichts daran, dass sie ergriffen werden
sollte. Die Nobelpreismacher haben das jetzt getan. Das Engagement für
Dissidenten und verfolgte Autoren wird dadurch kein bisschen geschmälert.
11 Oct 2012
## AUTOREN
Dirk Knipphals
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