| # taz.de -- Friedensnobelpreis für die EU: Eine Union mit 17 Euros | |
| > Wirtschaftlich wird die ausgezeichnete Europäische Union längst wieder | |
| > nationaler. Die Einheitswährung ist nicht mehr überall gleich viel wert. | |
| Bild: Wir alle sind jetzt nobel. | |
| BERLIN taz | Ohne die Eurokrise wäre das Nobelkomitee niemals auf die Idee | |
| gekommen, [1][den Preis an die EU zu vergeben]. Daher stellt sich die | |
| Frage, was die Krise in Europa bewirkt hat? | |
| Ökonomisch ist die Antwort eindeutig: Europa wird nationaler. Die | |
| Finanzmärkte „desintegrieren“ sich, wie es auf Technisch-Deutsch so schön | |
| heißt. Obwohl es noch eine Gemeinschaftswährung namens Euro gibt, | |
| existieren in der Realität bereits 17 verschiedene Währungen, die als | |
| unterschiedlich wertvoll gelten. | |
| Erstes Beispiel: Ein Euro auf einer griechischen Bank gilt nicht mehr als | |
| so sicher wie ein Euro auf einer deutschen Bank – es könnte ja sein, dass | |
| demnächst wieder die Drachme eingeführt wird. Also ziehen die Griechen ihr | |
| Geld ab und parken es in Deutschland. Sie versuchen damit, aus ihrem | |
| griechischen Euro einen deutschen Euro zu machen. | |
| Zweites Beispiel: Umgekehrt fließt kein Geld mehr in den Süden. Deutsche | |
| Banken oder Versicherungen sind derzeit nicht bereit, ihr Geld in Spanien | |
| oder Portugal anzulegen. Die Investoren bleiben in ihrer Heimat – oder | |
| weichen in die USA oder nach Brasilien aus. Es ist bizarr: In Zeiten des | |
| globalen Finanzkapitalismus ist die Eurozone zu einem Hort der nationalen | |
| Finanzströme geworden. | |
| ## Verzerrter Wettbewerb | |
| Drittes Beispiel: Ein profitables Unternehmen in Italien hat nicht die | |
| gleichen Chancen wie eine ähnlich strukturierte Firma in Deutschland. Denn | |
| das deutsche Unternehmen bekommt die Kredite hinterhergeworfen – und muss | |
| nur noch niedrigste Zinsen zahlen. Schließlich gilt Deutschland als sicher. | |
| Die gleiche Firma in Italien muss deutlich höhere Kreditkosten erdulden. | |
| Das ist keine Banalität, sondern verzerrt den Wettbewerb. Durch die | |
| Zinsvorteile kann das deutsche Unternehmen deutlich billiger produzieren | |
| als das italienische – obwohl beide Firmen ursprünglich gleich profitabel | |
| waren. EZB-Chef Draghi sagt dazu: „Die Geldpolitik funktioniert nicht.“ | |
| Geld ist ein soziales Konstrukt und daher sehr anfällig für psychologische | |
| Massenphänomene. Dass es momentan 17 Euros gibt, drückt vor allem eine | |
| allgemeine Panik aus und heißt nicht, dass man nicht zu einem einzigen Euro | |
| zurückfinden könnte. | |
| Aber momentan ist der berühmte Satz von Angela Merkel falsch, der da | |
| lautete: „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa.“ Denn der Konditional | |
| stimmt nicht. Den einen Euro im Singular gibt es derzeit nicht. | |
| 12 Oct 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] /index.php | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| ## TAGS | |
| EU | |
| EU | |
| Nobelpreis | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Friedensnobelpreis für die EU: Von Madrid nach Bukarest | |
| Die Europäische Union mag Kriege verhindert haben. Beim Thema | |
| Menschenrechte hat sie noch viel Arbeit vor sich: Sechs Beispiele aus sechs | |
| Ländern. | |
| Friedensnobelpreis für die EU: EU, öffne dich! | |
| Am Montag erhält die EU den Friedensnobelpreis. Zeit, dass sie ihre Bürger | |
| endlich repräsentiert – bislang treffen die Staatschefs ihre Entscheidungen | |
| lieber alleine. | |
| Verleihung des Friedensnobelpreises: EU-Trio fährt nach Norwegen | |
| Die Chefs von Parlament, Rat und Kommission der EU holen im Dezember in | |
| Oslo den Friedensnobelpreis ab. Wer sich dafür bedankt, ist noch unklar. | |
| Kommentar Portugal: Kurzfristig ist das neue langfristig | |
| Ist die europäische Krisenstrategie erfolgreich? Portugal ist der ideale | |
| Testkandidat. Bislang ist das Ergebnis ein Desaster: Sparen funktioniert | |
| nicht. | |
| Wirtschaftsnobelpreis 2012: Auszeichnung an zwei US-Amerikaner | |
| Alvin Roth und Lloyd Shapley erhalten den Nobelpreis. Sie werden | |
| ausgezeichnet für ihre Leistung, „verschiedene Akteure auf bestmögliche | |
| Weise zusammenzubringen“. | |
| Friedensnobelpreis für die EU: Jetzt also auch wir. Danke, ganz lieb. | |
| Kommt diese Ehrung zur Unzeit – jetzt, wo dem Projekt die Luft ausgeht? | |
| Oder ist sie womöglich doch ein kleiner, nützlicher Beitrag zur | |
| europäischen Identität? | |
| Stimmen zum Friedensnobelpreis: „Ansporn und Verpflichtung zugleich“ | |
| Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Preis für die EU als Würdigung der | |
| europäischen Einigung. Altbundeskanzler Helmut Kohl spricht von einer | |
| „wunderbaren Entscheidung“. | |
| Kommentar Friedensnobelpreis für EU: Humor haben sie, die Norweger | |
| Norwegen ist nicht in der EU und will auch nicht hinein – und zeichnet | |
| diese nun mit dem Friedensnobelpreis aus. Das ist schon lustig. | |
| Friedensnobelpreis 2012: Frau EU bekommt den Preis | |
| Die Europäische Union erhält den Friedensnobelpreis. Sie habe über sechs | |
| Jahrzehnte entscheidend zur friedlichen Entwicklung in Europa beigetragen, | |
| hieß es in der Begründung. | |
| Literaturnobelpreis für Mo Yan: Der schreibende Bauer | |
| Mo Yans Romane widmen sich Säufern, Menschenfressern und prügelnden | |
| Bräuten. Die Geschichten spielen fernab von der Metropole Peking. | |
| Kommentar Literaturnobelpreis: Kluge, weitsichtige Entscheidung | |
| Mo Yan erhält den Literatur-Nobelpreis und Liao Yiwu den Friedenspreis des | |
| Deutschen Buchhandels. Unterschiedlicher könnten die Preisträger nicht | |
| sein. |